Ämterwechsel:Generalprobe mit Groll

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Uwe Brandl (CSU), die Aufnahme entstand bei einer Pressekonferenz 2017 in München, übernimmt zum Jahreswechsel den Präsidentenposten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Für das Bürgermeisteramt in seiner Heimatgemeinde Abensberg wird er hingegen nicht mehr kandidieren. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Gemeindetagspräsident Uwe Brandl übernimmt bald auf Bundesebene und übt mit Spitzen gegen die Jamaika-Unterhändler

Von Johann Osel, München

Was just noch in Berlin als Erfolg hinausposaunt wird, löst Stunden später in München mächtiges Grummeln aus. Die Verhandler der Jamaika-Parteien wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler. Am Dienstagmittag holt 500 Kilometer südlich, beim Bayerischen Gemeindetag, dessen Präsident Uwe Brandl zum Konter aus: Die Politik begäbe sich auf das "Parkett, Versprechen auf Kosten anderer Kassen zu machen". 15 Milliarden Euro kosteten allein Räume und Logistik; dazu brauche es Zehntausende Fachkräfte, die es gar nicht gebe. Wer "Rundum-Sorglos-Pakete für die Bürger" schnüre, müsse daran denken, wer das alles zu bezahlen habe. "Unseriös" seien Union, FDP und Grüne da, und machten womöglich so weiter. Er werde "alle Karten spielen", um gegen Jamaika-Versprechen zulasten der Kommunen vorzugehen.

Der Chef des Gemeindetages im Freistaat wird zum Jahreswechsel auch oberster Repräsentant des Deutschen Städte- und Gemeindebunds - und lädt quasi zur Generalprobe. Brandls Stimme hat Gewicht, künftig noch mehr; nach eigener Ansicht wohl deutlich mehr, als Leisetreter ist der 58-jährige Jurist bisher nicht aufgefallen. Vehement, manche sagen krachig, vertritt er seit anderthalb Jahrzehnten die Interessen der Gemeinden. Das muss man sicher auch tun, wenn es gegen die Macht der Großstädte etwas auszurichten gilt. Der CSU-Politiker ist seit 1993 Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg. Über die Kommunalverbände der 16 Länder vertritt der Deutsche Gemeindebund 11 000 Kommunen mit 50 Millionen Einwohnern.

Am Dienstag also will Brandl schon mal das Revier markieren - der Zufall will es, dass in Berlin sondiert wird, für den Gemeinde-Lobbyisten eine willkommene Vorlage für einigen Groll. Die künftige Regierung müsse sich endlich zur Förderung des ländlichen Raums bekennen: "70 Prozent der Menschen leben nicht in großen Städten, der überwiegende Teil der Wertschöpfung findet abseits der Ballungsräume statt." Viel zu lange habe sich die Politik fast ausschließlich auf die Städte und ihr Umland konzentriert. So seien für schnelles Internet Investitionen von zehn Milliarden Euro im Jahr nötig, damit Deutschland international nicht weiter den Anschluss verpasse. Digitalisierung und ländlicher Raum, Brandl packt die Themen in fast jedem Satz zusammen. Etwa böte Digitalisierung auch Chancen bei der medizinischen Versorgung auf dem Land, "müssen die Ärzte tatsächlich immer bei den Patienten sitzen?" Letztlich gehe es um "die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse". Brandl stellt sich dafür ein eigenes "Ministerium für die Entwicklung der Räume" vor, für alle Querschnittsaufgaben, mit dem Schwerpunkt auf Digitalisierung.

Das klingt stark nach Heimatministerium, wie das Finanzministerium von Markus Söder auch heißt; und der peilt ja nicht nur die "gleichwertigen Lebensverhältnisse" in allen Winkeln des Freistaats an, sondern verteilt auch Förderbescheide für den Breitbandausbau in einer Frequenz wie sonst Postboten Briefe. Restlos überzeugt scheint Brandl von dem Konzept dennoch nicht zu sein, er wünscht sich ein neues Ministerium für den Bund sowie für Bayern. Wobei er seinen Parteifreunden in der Staatsregierung auf Nachfrage zugesteht, dass sie "eine bessere Taktung" als andere hätten, wenn es darum gehe, "Probleme des ländlichen Raums zu erkennen". Und wer soll das neue Bundesministerium leiten? Vielleicht CSU-Chef Horst Seehofer, fragt ein Journalist. "Der ist für alles geeignet", meint Brandl, halbernst.

Sorge bereite den Gemeinden der Investitionsstau: Bundesweit 126 Milliarden Euro, davon jeweils ein Viertel bei Schulen und Straßen. Gut zehn Prozent der Summe sei in Bayern fällig. Eine sichere Finanzierung will Brandl auch für die Integration haben. Bei den Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge wittert er angesichts des Immobilienmarktes "sozialen Sprengstoff".

In Bayern sei er gewohnt, hatte Brandl im Juni kurz der Wahl an die Bundesspitze gesagt, dass "Sachgespräche auf dem politischen Parkett oft sehr knackig" seien. In Berlin "deutet man zaghaft an, in welche Richtung man will". Davon war bei der Generalprobe nichts zu spüren. Stichwort Diesel-Verbote, wie von den Grünen vorgebracht. Er sei ein "Fan von langfristig angelegten Strategien". Trotz aller "Sünden der Autoindustrie" könne man aber nicht einfach sagen: "alles Teufelszeug". Das schade den Pendlern, den Bürgern, die sich arglos einen Diesel zugelegt hätten, weil sie viel unterwegs sind - zum Beispiel als Gemeindetagspräsident.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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