125. Todestag von König Ludwig II.:"Er hat mir die Hand so viel geküsst"

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König Ludwig II. war ein Frauenschwarm. Umso schwerer belasteten ihn seine homosexuellen Neigungen. Schon zu Lebzeiten kursierten beim Volk Witze über die heimlichen Leidenschaften des Königs.

Hans Kratzer

Der junge König war ein bildhübscher Mann, seine Wirkung auf Frauen muss umwerfend gewesen sein, vergleichbar mit der eines glamourösen Popstars. Der Münchner Historiker Klaus Reichold hat jedenfalls in alten Aktenbeständen Hinweise gefunden, wonach die Damen reihenweise in Ohnmacht fielen, wenn sich LudwigII. bei Empfängen gezeigt hat. Ähnliches hat die Schriftstellerin Luise von Kobell (1828-1901) beobachtet.

"Schon in allem Anfang äußerte die öffentliche Meinung ein gewisses Befremden über seinen Mangel an Neigung für das weibliche Geschlecht", schreibt Ludwig-Biograph Gottfried von Böhm. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Ludwigs Augenaufschlag habe auf das weibliche Geschlecht so mächtig gewirkt, schreibt sie, "daß mehr als Eine in Liebe zu ihm entbrannte und ihre vergebliche Schwärmerei durch eine Gemütskrankheit büßte". Waschkörbeweise, sagt Reichold, seien Liebesbriefe in der Münchner Residenz eingetroffen. LudwigII. habe sie bestenfalls amüsiert gelesen, bevor er sie in den Papierkorb geworfen habe.

War der Bayernkönig wirklich dieser unwiderstehliche Frauenheld, als der er hier gezeichnet wird? Diese Frage hätte damals schon so mancher Untertan grinsend beantwortet. Die sexuelle Ausrichtung des Königs rief bereits zu seinen Lebzeiten Irritationen und Gemunkel hervor, nur die Gilde der Königstreuen redete lange Zeit um den heißen Brei herum. "Auch viele Autoren kommen da an die Schmerzgrenze", schreibt Wolfgang Till in seinem vor einigen Monaten erschienenen Ludwig-Buch.

Meistens werde das Thema ignoriert und heruntergespielt, der König werde zur Jungfrau verklärt. Diesem Zaudern steht freilich das glasklare Interesse der Öffentlichkeit gegenüber. Die meistgestellte Frage an die Touristenführer in den Königsschlössern lautet: War der König homosexuell?

Manche Autoren bringen das Argument vor, Ludwig könne schon deshalb nicht schwul gewesen sein, weil er in seinen Schlössern zweigeschlechtliche Liebespaare darstellen ließ. Überdies werden der staunenden Öffentlichkeit schon seit einem Vierteljahrhundert regelmäßig "nichteheliche Ururenkelinnen und Ururenkel" präsentiert, die Ludwig II. mit einem Zimmermädchen auf dem Schachenschloss gezeugt haben soll.

Tatsächlich gibt es kaum Anhaltspunkte dafür, das Ludwig II. je mit einer Frau intim geworden ist. Wohl auch nicht mit seiner Cousine Elisabeth (Sisi), der Kaiserin von Österreich, mit der ihn eine enge Seelenverwandtschaft verband. Eine Affäre der österreichischen Kaiserin mit dem bayerischen König kommt wohl schon wegen der möglichen diplomatischen Verwicklungen nicht in Frage. Dafür liest man mit Schmunzeln Briefstellen aus ihrem "intimen" Kosmos, wie jene von 1865, in der Sisi schreibt: "Er hat mir die Hand so viel geküsst, daß Tante Sophie, die durch die Türe schaute, mich nachher fragte, ob ich sie noch habe!"

Am ehesten wäre eine erotische Beziehung mit der Hofschauspielerin Lila von Bulyowsky (1833-1909) vorstellbar, mit der LudwigII. 1866 anbandelte. Er erlag der graziösen Ungarin wohl auch wegen dem bestrickenden Reiz "ihrer immer etwas ungenügenden Beherrschung der deutschen Sprache", wie es der Ludwig-Biograph Gottfried von Böhm 1922 formulierte. Der König schrieb ihr Liebesbriefe, führte sie sogar in sein Schlafzimmer, worauf schon geunkt wurde, der Keusche sei "nun andern gleich gefallen". Böhm aber ist skeptisch: "Bei der Kußszene wurde Lila spröde und man trennte sich unverrichteter Sache."

Böhm bringt dafür die homosexuelle Veranlagung des Königs offen zur Sprache: "Schon in allem Anfang äußerte die öffentliche Meinung ein gewisses Befremden über seinen Mangel an Neigung für das weibliche Geschlecht", schreibt er. Wolfgang Till zitiert diesbezüglich aus einem 1885 verfassten Brief des Diplomaten Philipp zu Eulenburg, in dem dieser Bismarck über Ludwigs "sehr energische Zuneigung zum jüngeren Stallpersonal" aufklärt. Auch im Volk kursierten schon zu Lebzeiten Ludwigs II. Witze über die heimlichen Leidenschaften des Königs. Klaus Reichold fand in Zeitungsartikeln, Briefen und Gesandtschaftsberichten viele zeitgenössische Hinweise auf die homosexuelle Veranlagung des Monarchen.

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Freilich, mit Recht weisen Historiker auf eine Privatheit in diesen Dingen hin, die auch nach dem Tode zu schützen sei. Der frühere Generaldirektor der bayerischen Archive, Hermann Rumschöttel, postuliert in seiner soeben erschienenen Ludwig-Biographie, ein Recht, die Grenze zu diesem höchstpersönlichen Lebensbereich zu überschreiten, bestehe nur dann, wenn und soweit Einzelheiten politische Bedeutung und damit historische Relevanz erlangt haben.

Auch Rumschöttel stellt als ein mittlerweile in der Fachwelt anerkanntes Faktum heraus, dass Ludwig II. "ein Leben lang mit seinen autoerotischen Neigungen und seiner homoerotischen Veranlagung" gekämpft habe. Diesbezüglich stand der König zweifellos unter enormem psychischen Druck, nicht nur, weil der Gesellschaft im 19.Jahrhundert für Homosexualität nicht reif war. Dabei waren die Bayern geradezu fortschrittlich eingestellt. Seit 1813 war Homosexualität im Königreich Bayern straffrei.

Erst als 1870 die bayerische Verfassung nach der Eingliederung ins Deutsche Reich außer Kraft gesetzt wurde, stand sie wieder unter Strafe. Ludwigs Pein ergab sich aber vor allem aus der Überzeugung, dass seine Neigung gemäß seinen monarchischen Vorstellungen vom Gottesgnadentum sündhaft war.

Wie er mit seinen Liebschaften umgegangen ist, das lässt sich kaum seriös beantworten. Trotz aller möglichen Schauerszenarien, die bis zur Vergewaltigung von Untergebenen reichen, ist es auch denkbar, dass seine Begegnungen mit Männern über Küsse nicht hinausgegangen sind. Interessant ist das Verhältnis Ludwigs zu dem jungen Schauspieler Josef Kainz, den er 1881 nach München berufen hatte und ihn mit Gunstbeweisen überhäuft hatte. Schnell flammte das Gerücht auf, Kainz sei "der neue Herzbube Seiner Majestät".

Doch auf einer gemeinsamen Reise in die Schweiz kam es zu Verstimmungen, als Kainz sich Ludwigs Wunsch verweigerte, in einer hellen Mondnacht auf dem Rütli aus dem Wilhelm Tell zu rezitieren. Zwar ließ sich Ludwig am nächsten Tag noch zusammen mit Kainz in Luzern fotografieren, aber das Verhältnis war zerbrochen. Der Schriftsteller Werner Richter wagte in seinem Ludwig-Buch von 1939 die Aussage, Kainz sei vielleicht die letzte Liebe König Ludwigs gewesen.

Gut 15 Jahre vorher, am 22.Januar 1867, hatte sich Ludwig mit seiner Cousine Sophie Charlotte verlobte. Sie war die jüngere Schwester der Kaiserin Sisi. Es war eine höchst dubiose Beziehung, mit der Ludwig vielleicht seine Homosexualität verschleiern wollte. Seinem Bruder Otto trug er auf: "Tröste und beruhige sie vollkommen und sage ihr, daß du glaubst, meine Zuneigung verwandle sich in Liebe."

Trotzdem schob er die Eheschließung hinaus, bis am 11. Oktober 1867 die Verlobung im gegenseitigen Einvernehmen rückgängig gemacht wurde, weil "nicht jene wahre Neigung des Herzens besteht", welche eine glückliche Ehe gewährleiste. Die einzige, die ihn verstanden hat, war wohl Sisi, die in ihrer Exzentrik und Weltflucht ähnlich spinnert war wie er. Trotzdem wurde es auch manchmal zu viel. 1874 schrieb sie an ihren Mann: "Wenn mich nur der König von Baiern in Ruhe läßt."

© SZ vom 12.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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