Unterwegs:Unterm Asphalt wächst das Gras

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Straßenbau ist eine Wissenschaft und der Asphalt breitet sich rasend schnell aus. Doch neulich entdeckten wir das: ein Büschel Gras mitten auf der Straße, achtspurig. Auf die Macht der Natur ist halt in alle Ewigkeit Verlass.

Von Richard Christian Kähler

Das warnende Fiepen, Quieken und Miauen und Wuffen unter den Autoreifen, hervorgebracht durch so etwas altmodisch Physikalisch-Akustisches wie Rillen im Straßenmarkierungsasphalt, erinnert auf erschreckend altbackene Weise an die preisgünstige Wirksamkeit analoger Lösungen. Warnen soll es uns Autofahrer - vor drohenden Hindernissen, oder vorm Verlassen der Fahrspur.

Sicher hätte es für einen derart simplen Effekt auch eine unglaublich komplizierte und schon in der Herstellung erzteure elektronische Lösung plus Dauerwartung gegeben. Aber wenn man schon das heutige antike Straßennetz kaum in befahrbarem Betrieb erhalten kann, wie dann erst zukünftige Millionen Kilometer aus zum Beispiel beleuchteten, beheizten und natürlich elektronisch vollvernetzten Glasmodulen? Man sieht: Straßenbau ist eine Wissenschaft.

Dann kürzlich, beim Parken und Straßeüberqueren, ein kleines Loch. Kreisrund, wie von einem Lochbohrer ausgestanzt, nicht größer als ein Handteller, einen Zentimeter tief - und voller Gras. Inmitten grauen Asphalts. Rundherum tost es achtspurig in die Stadt hinein und wieder hinaus - und da wächst dieses Gras. Durch ständiges Überrollen kurz und klein gehalten, aber dennoch wild entschlossen, zu leben.

Wer manchmal Schmerz empfindet über all die zuasphaltierten Flächen unserer Erde, wird durch die gottverdammt zähe Hartnäckigkeit dieses bisschen Grüns getröstet. Denn was wird von unseren stolzen Straßen und Autobahnen bleiben? Nichts als ein Luftbild: geheimnisvolle Linien und Kurven, Materialverdichtungen aus Erdöl, wie erstarrte, aufgebrochene und wieder überwucherte Lavaströme . .

. "Wozu das wohl gedient hat?" fragen sich dann unsere Nachfahren in Lichtenergie-Schwebegleitern, mit denen sie nur noch zu paradiesischen Retro-Picknicks auf der renaturierten und damit wieder vollverwilderten Erde landen. Ja, man darf nicht verzweifeln an unseren modernen Zeiten. Wir Menschen mögen zwar manchmal Humbug fabrizieren, aber auf die Macht der Natur ist auch in Zukunft ewig Verlass.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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