Unterwegs:Unheimliche Begegnung

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Der Appell nach mehr Rücksicht zwischen Autofahrern, Radlern und Motorradfahrern ist zwar verständlich, aber leider vollkommen nutzlos. Das wird vor allem dann offensichtlich, wenn sich auf einmal die Rollen im Verkehrsgetümmel vertauschen.

Von Peter Fahrenholz

Zu den nutzlosesten Appellen überhaupt gehört jener nach mehr gegenseitiger Rücksicht im Straßenverkehr. Es gibt eigentlich nur eine unterschiedlich stark ausgeprägte Abneigung zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmern. Das ist insofern verwunderlich, weil praktisch jeder in verschiedenen Rollen unterwegs ist, mal sitzt er im Auto, mal auf dem Rad, mal ist er Fußgänger. Eine Gefahr, mindestens aber eine Belästigung, sind aber nur die anderen. Deren rücksichtsloses Verhalten man aber sofort übernimmt, wenn man die Seiten wechselt. Wer sich als Autofahrer darüber aufregt, dass Radfahrer offenbar glauben, die Verkehrsregeln seien für sie nicht gültig, wird als Radfahrer womöglich nichts dabei finden, die rote Ampel zu überfahren. Wird schon nichts passieren.

Besonders ausgeprägt ist die gegenseitige Abneigung zwischen Radfahrern und Motorradfahrern. Für Motorradfahrer liegt der höchste Genuss darin, in Schräglage durch möglichst viele Kurven zu wedeln. Und da sind Radfahrer, die sich im Schneckentempo voranquälen, hinter sich eine Autokolonne, die auf eine Lücke im Gegenverkehr wartet, um zu überholen, einfach nur Spaßverderber. Umgekehrt fühlen sich Radler, die sich extra verkehrsarme, landschaftlich attraktive Strecken aussuchen, genervt und oft auch bedrängt, wenn ständig Motorräder an ihnen vorbeidonnern. Und zwar nicht immer mit legalem Auspuff, also ohrenbetäubend laut.

Manchmal kann es aber auch ganz anders kommen. So wie neulich auf einer Motorradtour irgendwo im Sauerland. Eine enge, abschüssige Ortsdurchfahrt, auf der ein Rennradler unterwegs war. Der fuhr keineswegs rechts, sondern seelenruhig in der Mitte der Fahrbahn, recht zügig, denn es ging ja bergab. Kaum war er endlich überholt, tauchte eine scharfe Kurvenkombination auf. Für die Motorräder hieß es: abbremsen. Der Rennradler indes dachte gar nicht daran zu bremsen, offenbar war er auf seiner Hausstrecke unterwegs und hatte die Kurvenkombination schon oft genug in vollem Tempo geschnitten. Im Nu war er an dem Motorrad, das ihn zuletzt überholt hatte, dran, von hinten tönte plötzlich der ungeduldige Ruf: "Jetzt fahr doch zu!" Das hört man als Motorradfahrer von einem Radfahrer nicht so oft. Und ehrlich gesagt: Man hört es auch nicht gern.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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