Unterwegs:Panik vor der Engstelle

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Gerade hat man alle überholt, da kommt eine Engstelle. Man reiht sich rechts ein und alle überholen einen wieder. Empörend!

Von Richard Christian Kähler

Und das soll gerecht sein? Da ist man gerade noch an zig Schleichern auf der rechten Spur vorbeigeströmt und dann kommt ein Schild, das auf eine kommende Autobahnverengung hinweist und brav fädelt man sich rechts ein. Und dann? Dann rauschen all die Luxuslimousinen, SUV und Sportwagen so selbstverständlich wieder an einem vorbei, als hätte man die linke Spur speziell für sie geräumt.

Gut, gut, natürlich gibt das Gesetz unserem Ungerechtigkeitsgefühl mal wieder unrecht: Man soll, heißt es,

um unnötig lange Rückstaus zu vermeiden, tatsächlich erst ganz am Ende des gesperrten Fahrstreifens und dann nach dem Reißverschlussverfahren auf die andere Spur wechseln. Viele jedoch, das wissen nicht nur die Experten, haben Angst, am Ende der blockierten Spur von wenig toleranten Zeitgenossen nicht mehr reingelassen zu werden und wechselten deshalb für einen rechnerisch idealen Verkehrsfluss viel zu früh. Was wiederum in Nullkommanichts böse Staus heraufbeschwört.

Was dabei ganz gerne vergessen wird: Viele Leute am Steuer pfeifen darauf, ob eine Verkehrsmehrheit sich aus welchen Gründen auch immer in eine Anstellwarteschlange eingereiht hat. Und nutzen den freigewordenen Platz bis an die Sperre zum Überholen der im bisherigen Autobahn-Rennverlauf quasi vor ihnen liegenden. Wie würde sowas hinter einem Pacecar in der Formel 1 wirken? So peinlich und reglementswidrig, wie es wäre, sich in der Rushhour hinter einen Krankenwagen im Einsatz zu hängen, um die von der Gemeinschaft einhellig und rechtskonform geschaffene Gasse für Verletzte zu seinem kleinen privaten Wichtigtuer-Vorteil auszunutzen.

Und kein schöneres Gemeinschaftsgefühl an der Autobahn-Engstelle dann, als in einmütig dichtgeschlossener Kolonne aus Autoleibern ohne auch nur die kleinste Reißverschlusseinschlüpflücke unerbittlich am hektisch rechtsblinkenden Stillsteher vorbeizurollen - nun selbst in der berechtigten Angst, wohl nie mehr reingelassen zu werden.

So lange jedenfalls nicht, bis alle wieder vorbei und voraus sind, an denen unser Herrenreiter eben noch so hochüberheblich vorbeigaloppiert war. Reinlassen kann man sie ja trotzdem.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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