Unterwegs:Hippe Fahrrad-Kulis

Lieferdienste sind der letzte Schrei. Aber so ein Service auf dem Rücken junger Selbstausbeuter ist nicht cool, sondern vor allem Sozial-Dumping. Wie so viele der tollen neuen Dienstleistungen aus dem Web, den Fahrservice von Uber inbegriffen.

Von Richard Christian Kähler

Puh, das war knapp! Der Kerl mit der knallbunten Kiste auf dem Rad, der im dichten Regenguss eben wie aus dem Nichts an dem Wagen vorbeigeschossen ist, könnte jetzt genauso gut blutend auf der Kühlerhaube liegen. Und die "Foodora"- oder "Deliveroo"-Essenbestellung dieses Lieferhelden würde dann dampfend auf der Windschutzscheibe kleben.

Wo Radfahrer gern durch verträumte Verkehrsferne auffallen, strampeln diese jungen Leute ihre "Takeaway Delivery"-Last zum Mini-Lohn durch die Metropolen. Was für ein prekärer Job: Piept die Smartphone-App, radelt man bevorzugt bei Mistwetter Restaurants an, um Bequemmenschen das via Netz Bestellte so schnell wie möglich zu bringen.

Ähnlich geplagte Paketboten haben dafür wenigsten noch einen Wagen! Für Studenten, die zu viel über den Lehrbüchern hocken, mag so ein eingeschobenes Radlprogramm ja ganz gesund sein. Aber nur, solange sie wieder heil zu Hause ankommen - siehe oben. Denn trotz aller Zweirad-Ökovorteile bleibt es ein bedrückender Anblick: Schmale, ungeschützte Fahrradler zwischen prächtigen SUVs und mächtigen Lkw. Gab's nicht einst in Indien den größten Maharadscha-Reichtum neben magersten Bettlern? Und waren es nicht früher auch wir Europäer, die mitleidig auf Millionen arme Chinesen mit klapprigen Fahrrädern schauten?

Jetzt hetzen wir mit westlichem Reichtum selbst unzählige Zweirad-Kulis durch überfüllte Straßen. Rendite-geile Internetfirmen verkaufen diesen angeblich so hippen Lieferservice mit massivster PR in sozialen Netzwerken. Aber so ein Service auf dem Rücken junger Selbstausbeuter ist nicht cool, sondern vor allem Sozial-Dumping. Wie so viele der tollen neuen Dienstleistungen aus dem Web, den Fahrservice von Uber inbegriffen.

Denn das Prinzip ist immer dasselbe: "Bring your own" - also Fahren mit dem eigenen Gefährt. Statt mit einem gestellten Smart oder wenigstens Elektro-Roller wie die Pizza-Boten muss der moderne "Delivery Hero" mit seinem eigenen alten Bike plus Privathandy fahren. Im Indien von heute hätten es unsere "Für eine Handvoll Reis"-Jobber da besser: In Mumbai zum Beispiel gibt es zwar auch noch Tausende Mittagessen-Bringer. Nur ist der 'Dabawalla' dort ein Mensch mit einem angesehenen und familienernährenden Beruf.

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