Unterwegs:Fahren und gefahren werden

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Wie wäre es, mal auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen? Gefahrenwerden - das ist die andere Art von Automobilgenuss: Unterwegs als freier Mensch "in the back of a taxi" oder mit persönlichem Chauffeur im Privatschlitten.

Von  Richard Christian Kähler

"Willst du fahren oder soll ich?", fragt die Frau. Immer wieder ein schöner Moment. Haben unsere Mütter und Omas unseren Vorvätern diese partnerschaftliche Alternative so selbstverständlich und souverän angeboten? Und war's nicht "als Mann" fast Pflicht, den Chauffeurdienst im eigenen Wagen zu versehen? Ja. Aber da war der Straßenverkehr auch noch ein echtes Fahrvergnügen gegenüber der heutigen Nervenstress-Hektik.

Gefahrenwerden - das ist die andere Art von Automobilgenuss: Ist der Immer-Selbstfahren-Woller dadurch so sklavenartig ans Lenkrad gekettet wie ein Trucker, so ist der Gefahrenwerdende als freier Mensch unterwegs in the back of a taxi oder mit persönlichem Chauffeur im Privatschlitten. Da kann die Autoindustrie noch so sehr an Pseudoindividualität und Scheinfreiheit appellieren: Ein Auto durch den Verkehr zu steuern - das ist harte Arbeit. Heute mehr denn je.

Umso genussvoller ist der Luxus, nicht neben einem Rechner, sondern einem Fahrer oder einer Fahrerin des Vertrauens zu sitzen und vielleicht sogar ein wenig dösen zu dürfen, während ein aufmerksames Augenpaar den Weg durch die Nacht für uns findet. Besser jedenfalls, als angstschweißnass, x-beliebigen Uber-Amateurchauffeuren ausgeliefert zu sein. Oder plötzlich auf den Beifahrersitz eines Freundes festgenagelt, mit dem man eigentlich noch nie Auto gefahren ist. Und in wenigen Minuten auch wissen wird, warum.

Doch was für ein wunderbarer Vertrauensbeweis im umgekehrten Fall ("Danke, ich fahr gern, ich bin fit."): Wenn dann die Nebensitzerin beim Nachtflug übers Land sich selbst ein Nickerchen gönnt. Aber dann unnötig ängstlich nach dem Türhaltegriff tastet, als es in hochmoderatem Tempo durch eine letzte Kurve in die Einfahrt hineingeht. Und das ist es, was den besten Wagenführer der Welt dann doch ein wenig kränkt. Hat er die Kutsche mit der Geliebten doch eben so sicher durch das dunkle Feindesland heim aufs Schloss gelenkt.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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