Unterwegs:Die letzte Ausfahrt

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Zukunft hin oder her: Jetzt soll in den Niederlanden ein Tesla als Leichenwagen eingesetzt werden. Das hat uns gerade noch gefehlt. Andererseits: Es ist auch ein schöner Gedanke, dereinst völlig geräuschlos die allerletzte Ausfahrt hinter sich zu bringen.

Von Jörg Reichle

Sauwetter, elendes! Überhaupt: Herbst, da kann man nur unter einer dicken Wolkendecke des Schwermuts verschwinden und sich lustvoll der Todessehnsucht und dem Unglücklichsein ergeben. Ja, lachen Sie ruhig, traurig kann auch schön und glücklich ziemlich langweilig sein. Da erreicht uns gerade rechtzeitig die Meldung, dass in Holland jetzt auch Teslas als Leichenwagen umgerüstet werden. Das muss man sich mal geben: Tesla! Von dem wir doch immer gedacht haben, dass er für die Zukunft steht, und jetzt das! Wir wollen nun nicht dem billigen Reiz erliegen, diverse publicityträchtige Unfälle mit Autos dieser Marke in einen oberflächlich-finsteren Zusammenhang zu rücken, ganz im Gegenteil. Ist es nicht von besonderem Reiz, sich unsere letzte Aus-Fahrt dereinst in vollkommener Stille vorzustellen, als demonstrativ geräuschlosen Abgesang auf den wichtigtuerischen Radau der abgelaufenen Zeit? Und sollte unterwegs je der Strom ausgehen, wird der geduldige Passagier dies, wenn man es so sagen darf, noch nicht mal mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen. Was bedeutet schon eine Stunde Aufenthalt an einer x-beliebigen Ladestation auf unser aller Reise in die Ewigkeit?

Aber wenn wir aber schon beim Leichenwagen sind: Es gibt ja durchaus faszinierende Beispiele für diese Fahrzeuggattung mit den gestärkten Gardinen und den einschlägigen, in die Scheiben eingeätzten Motiven. Die Älteren unter uns werden sich da gerne an den Kinofilm "Harold and Maude" erinnern, eine schwarze Komödie unter Regie von Hal Ashby aus dem Jahr 1971. Der junge Harold, eine der Hauptfiguren, fährt darin einen zum Leichenwagen umgebauten Cadillac und verwandelt später auch einen Jaguar E-Type in ein solches Gefährt. Und auch, wenn der schicke Leichenwagen-Jaguar am Ende über eine Klippe stürzt und der junge Harold unversehrt bleibt, so muss doch festgehalten werden, dass das wirkliche Leben im Regelfall eher das Transportfahrzeug schont und sich der Passagier als vergänglich erweist. So oder so: Seit diesem Film geht von Leichenwagen für uns eine ganz besondere Faszination aus. Wie gesagt, traurig kann auch schön sein. Sogar in einem holländischen Tesla.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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