Unterwegs:Die dunkle Seite des Internets

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Eine Landpartie auf der Bundesstraße. Die Strecke ist eigentlich gut, wären da nicht diese unglaublichen Massen an Lastkraftwagen. Unvermeidlich wie die Mücken im Sommer. Und mindestens genauso lästig.

Von Richard Christian Kähler

Eine Landpartie auf der Bundesstraße. Die Strecke ist eigentlich gut: Zwar nur zweispurig, aber sicher ausgebaut und mit genügend Weitblick-Abschnitten, in denen man gemütlichere Verkehrsteilnehmer bei Bedarf leicht und gefahrlos überholen könnte. Wären da nicht diese unglaublichen Massen an Lastkraftwagen. So unvermeidlich wie die Mücken im Sommer, nur leider deutlich größer. Und mindestens genauso lästig.

Den armen LKW-Fahrern ist kein Vorwurf zu machen. Als abhängige Lohnkutscher müssen sie die kostenpflichtige Autobahn meiden. Dem Sparbefehl ihrer Logistik-Manager und Controller folgend weichen sie auf die bis 2018 immer noch mautfreien Bundesstraßen aus. Seit Jahren fluten sie die zuvor noch flott befahrbaren und im Belag unstrapazierten Landstraßen. Ihre gnadenlose Welle aus ellenlangen Lastzügen ergießt sich unablässig durch Städte und Dörfer. Manch einer denkt gar an die Panzerkolonnen feindlicher Besatzer. Das macht die Trucker nicht gerade beliebt.

'Helden der Landstraße'? Ihr Ansehen ist weiter denn je von dem Klischee entfernt, das manche Medien von den Lastwagenkapitänen auf hoher europäischer See zeichnen. Ein Leben auf dem 'Bock' bedeutet: ausbeuterische Spediteure und fiese Disponenten, stetige Übermüdung und manipulierte Fahrtenschreiber, magische Wachmach-Drinks und Drogen sowie Mega-Frikadellen mit Pommes plus Frauen in Schmuddel- Magazinen am Truckstop beziehungsweise Pornos auf dem Tablet in der Koje.

Würde diese Monstertruck-Invasion in Zukunft wirklich von Maschinen gelenkt - wovor uns Daimler und Benz selig bewahren mögen - das Mitgefühl im Volk für 500 000 plötzlich arbeitslose Ex-'Auf-dem-Bock-Hocker' hielte sich sicher in Grenzen. Und das, obwohl wir von ihnen nicht nur Massen von Sachen an die Tür geliefert kriegen, sondern eben auch die Quittung für unsere Bequemlichkeit: Gemütlich vorm Kamin online bestellen, statt das Zeug persönlich irgendwo abzuholen. Ohne die Lieferkarawane wäre die 'schöne neue Internetwelt' höchstens halb so beliebt.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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