Unterwegs:Der nette Tempomat

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Auf die Gefahr hin, zu den Ewiggestrigen zu gehören: Wir Deutschen haben der Welt das Wort "Fahrvergnügen" geschenkt. Wollen wir uns dieses Vergnügen wirklich und wahrhaftig durch autonome Fahrfunktionen nehmen lassen?

Von Richard Christian Kähler

Also wirklich, man will ja nicht zu den Ewiggestrigen und zu den Fortschrittsfeinden gehören. Aber manchmal fahre ich einen Wagen, in dem noch nichts piept. Und ich finde es wunderschön. Man lenkt und bremst ihn ausschließlich selbst, er hat keinerlei Kameras, Sensoren oder gar Assistenzsysteme an Bord, ja, nicht mal einen Abstandsmelder. Dafür verfügt er über eine alte analoge Einparkhilfe, die sogar ohne Elektronik und Strom funktioniert: Ein Auspuffrohr, das ein paar Zentimeter übers Heck hinausragt.

Und nichts gegen dieses immer hektischer werdende Rücksetz-Gepiepe, aber zaubert es einem auch jedesmal ein Grinsen ins Gesicht? So wie der grollende Auspuff, der millimeterdicht vor dem Hintermann so hocherregt aufbrubbelt, als wolle ein böser Bube ihm gerade eine rohe Kartoffel ins Rohr pressen? Man muss diese kernige Verbrennerakustik genießen, so lang es sie noch gibt!

Mein Freund fährt dagegen einen Wagen mit sämtlichem Hightech an Bord: "Alles ganz nett," sagt er, nachdem er mal wieder auf langen Geschäftsreisen über Land gerollt ist, "aber was das Fahrvergnügen wirklich auf eine neue Ebene gehoben hat, das ist doch der Tempomat". "Steinalte Erfindung, aber toll: Auf der Landstraße schön mit 100, kommt 'ne Ampel oder 'n Dorf in Sicht, Knopf drücken, ausrollen, 70, 50 . . ., dann wieder Knopf drücken . . . und weiter. Wunderbar!"

Ohne Tempomat unterwegs erlebe ich nun immer häufiger Momente, in denen ich nur zu gern den rechten Fuß vom Dauerbalanceakt erlösen würde, den Motor über Stunden im gewünschten Drehzahlbereich zu halten. Und auch als Motorradfahrer genießt man eine "Cruise Control" mit entlastetem rechten Handgelenk beim gleichmäßigen über die Bahn ziehen. Doch wünscht man sich deswegen auch ein gleich ganz selbstfahrendes Bike? Bei dem die Hände nicht mehr auf dem Lenker liegen, sondern in der Jacke stecken? Und der Körper automatisch in die Kurve gelegt wird?

Nie und nimmer. Wir Deutschen haben schließlich der Welt das Wort "Fahr-vergnügen" geschenkt. Und da will man sich dieses Vergnügen doch nicht freiwillig wieder selbst nehmen. Der ganze Fortschritt hin oder her.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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