Test BMW R 1200 RT:Toller Tourer mit Schönheitsfehlern

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Bei der Modellpflege ist aus der BMW R 1200 RT ein völlig neues Motorrad geworden. (Foto: www.danielkraus.de; BMW)

Mit einer umfassenden Modellpflege hat BMW aus der R 1200 RT ein völlig neues Motorrad gemacht. Der Tourer ist nun deutlich agiler als vorher. Aber es gibt auch Kritikpunkte - der Preis ist einer davon.

Von Thilo Kozik

Vor vier Jahren brachte BMW seine Boxertourer-Institution RT auf den letzten Stand, jetzt ist die Zeit reif für eine tief greifende Überarbeitung. Vom Motor über das Fahrwerk bis zur Optik zeigt sich alles modernisiert - die R1200 RT des Modelljahrgangs 2014 ist ein komplett neues Motorrad.

Das sieht selbst der Laie auf den ersten Blick: Ihr Design ist schnittiger, eleganter geworden und versprüht mehr Dynamik, wozu insbesondere die mächtige Front im Stile der Sechszylinder-K-Modelle mit optionalen LED-Tagfahrleuchten beiträgt.

Neu ist der flüssigkeitsgekühlte Boxermotor, der 2013 in der R1200 GS Premiere feierte. Das DOHC-Triebwerk übertrumpft den Vorgänger bei gleichen 1170 cm³ Hubraum mit 125 PS um zehn Pferdchen. Das maximale Drehmoment steigt um fünf auf 125 Newtonmeter. Gegenüber der GS-Enduro sorgt bei der RT mehr Schwungmasse für einen weicheren, souveränen Motorlauf, der sehr gut zum tourentypisch niedrigeren Drehzahlniveau passt. So lässt sich der Tourer fast mit Standgasdrehzahl fahren, hängt sehr fein am Gas und schiebt aus der Drehzahlmitte flott voran. Ab 5000 Touren lässt der Schub etwas nach. Es wird oben heraus etwas zäh, die Vibrationen nehmen zu. Darunter läuft die RT seidenweich.

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Sinnvolle Berganfahrhilfe

Standardmäßig stehen zwei Fahrmodi sowie die Automatische Stabilitätskontrolle ASC zur Verfügung. Dazu gibt es im Dynamic Paket für 1020 Euro den nicht unbedingt benötigten Fahrmodus Dynamic sowie die Hill Start Control, die erste Berganfahrhilfe im Motorradbereich: Wird der Handbremshebel fest gezogen, hält die sehr bissfeste Teilintegralbremse die hintere Bremse so lange blockiert, bis der Fahrer mit leicht erhöhter Drehzahl anfährt. Die Hill Start Control ist ein durchaus nutzbringendes Merkmal angesichts fahrfertiger 274 Kilogramm.

Zum Paket gehört weiter der Schaltassistent Pro, die zweite Weltneuheit im Serienmotorradbau. Damit kann ohne zu Kuppeln im Sechsganggetriebe rauf- und runtergeschaltet werden. Beim Herunterschalten gibt der Zentralrechner selbsttätig Zwischengas, um die Drehzahl von Getriebe und Motor anzupassen und sanft einzukuppeln. Nur bei unpassender Drehzahl geht ein Lastwechselschlag durch das RT-Gebälk.

Ausgewogen, spurstabil und agil

Das wird von einem neuen, durchgehenden Hauptrahmen dominiert, dem vorn der BMW-typische Telelever und hinten der als Einarmschwinge ausgeführte Paralever mit Kardanantrieb assistiert. Weil die geballte Masse toll ausbalanciert ist, begeistert die RT mit einem rundum ausgewogenen, ebenso spurstabilen wie agilen Fahrverhalten.

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Eine Empfehlung verdient das wiederum als Sonderausstattung für 760 Euro erhältliche semiaktive Fahrwerk Dynamic ESA, das die Dämpfung abhängig von Fahrzustand und Fahrmanövern automatisch anpasst. Damit gleitet die RT unbeeindruckt von kleinen oder großen Einflüssen über den Asphalt und hält beim Beschleunigen wie heftigen Bremsen - hier zeichnet sich die ABS-bewehrte Dreischeibenanlage durch beeindruckende Effizienz aus - stoisch die Spur.

Exzellent für lange Strecken

Trotz der gestiegenen Dynamik ist das Boxer-Tourenflaggschiff aber auch erreichbarer geworden - man thront zwei Zentimeter tiefer auf dem schmaler konturierten Sitzmöbel, was kleineren Staturen eine bessere Kontrolle im Stand ermöglicht. Bei der Langstreckentauglichkeit bleibt sich die RT treu: Mit schluckfreudigen serienmäßigen Koffern und einem Windschutz hinter der elektrisch höhenverstellbaren Scheibe lassen sich Wochenendtrips wie Urlaubsfahrten entspannt genießen.

Zahlreiche elektronische Helferlein und hochwertige Ausstattungsmerkmale wie das 5,7 Zoll große TFT-Farbdisplay oder das serienmäßige Audiosystem werten die neue RT weiter auf, ohne am traditionellen Konzept zu rütteln: Es gibt wohl kaum einen Tourer, der seine Besatzung so komfortabel, souverän und gleichzeitig agil von A nach B bringt. Geblieben ist leider auch die nervige Aufpreispolitik, die den Basispreis von 16 990 Euro leicht und locker an die 20 000-Euro-Marke treiben kann.

© SZ vom 29.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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