Rheintalbahn:Darum sackt beim Tunnelbau immer wieder der Boden ab

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Seit die Erde auf der Baustelle in Rastatt absackte, sind Dellen in den Schienen. Für Züge ist der Abschnitt der Rheintalbahn seitdem gesperrt. (Foto: Uli Deck/dpa)
  • Nachdem die Erde auf einer Tunnelbaustelle für die Rheintalbahn bei Rastatt absackte, beginnt nun die Ursachenforschung.
  • Schon die Zusammensetzung des Bodens, der vorrangig aus Kies und Sand besteht, war eine Herausforderung für die Tunnelbauer.
  • Deshalb müssen die Maschinisten beim Bau behutsam vorgehen. In Rastatt könnten sie es jedoch etwas zu eilig gehabt haben.

Von Marco Völklein

Vor einer guten Woche verlief noch alles nach Plan auf der Bahnbaustelle bei Rastatt. Unter der Stadt fräste sich die Bohrmaschine durch den Boden, am Tunnelportal stapelten sich die sogenannten Tübbinge, leicht gewölbte Betonschalen, die Arbeiter mit einer Lorenbahn in die Röhre schafften und dort zu Tunnelwänden zusammensetzten. Dann aber verschoben sich am vorvergangenen Samstag gegen Mittag Tunnelelemente auf einer Länge von 40 Metern, Wasser und Erde drangen ein. An der Oberfläche sackte der Boden in einem Trichter ab - die Folgen: katastrophal.

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Tatsächlich barg der Baugrund in Rastatt von Anfang an Herausforderungen für Tunnelbauer. Der Boden besteht vorwiegend aus Kies und Sand. Wer sich da mit einer Bohrmaschine durchwühlt, muss - zumindest an den Stellen, wo der Tunnel wieder an die Oberfläche kommt -, besondere Vorsicht walten lassen. In Rastatt-Niederbühl sollte das, vereinfacht ausgedrückt, so funktionieren: Mit Kältemaschinen frieren die Ingenieure den lockeren Kiesboden ein. Anschließend fräst sich die Bohrmaschine durch den temporär verfestigten Untergrund. Direkt hinter dem Schneidrad wird mit Tübbingen die Hülle errichtet. Taut der Boden anschließend wieder auf, liegt die Betonröhre stabil drin. So zumindest die Theorie.

Auch in der Praxis funktionierte das schon, beispielsweise bei der Erweiterung des U-Bahnhofs unter dem Münchner Rathaus 2003 bis 2006, wenngleich die Röhren dort nicht mit Bohrmaschinen aufgefahren, sondern ausgebaggert wurden. Wie in Rastatt haben es Baufirmen in der Münchner Schotterebene immer wieder mit Kies zu tun. Hochbau-Ingenieure wissen ihn zwar durchaus als Grundlage für Fundamente zu schätzen, Tunnelbohrer aber fürchten ihn, insbesondere dann, wenn Wasser ins Spiel kommt. So forderte 1994 ein Unglück im Münchener Stadtteil Trudering drei Tote. Dort wurde damals eine U-Bahn-Linie verlängert, Wasser flutete die Tunnelbaustelle, ein Linienbus versackte mit dem Heck voran in dem Krater. Als Ursache machten Gutachter später Risse in einer als wasserundurchlässig eingestuften Schicht unter dem Kies aus.

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Bei Tunnelbauern gilt der Spruch: "Vor der Hacke ist's dunkel." Trotz umfangreicher Bodenuntersuchungen stehen sie mitunter vor Rätseln: So drang 2014 in Berlin ein Gemisch aus Erde, Sand und Wasser in die Baustelle der U 5 in der Nähe des Brandenburger Tores ein. Die Ursache blieb zunächst unklar, von einem "Mysterium" war die Rede. Bislang nicht aufgeklärt wurde auch der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009. Dort schoss Grundwasser in eine offene Baugrube für einen U-Bahnhof. Gutachter stellten später fest, dass es vorher schon Wassereinbrüche gegeben hatte, die Verantwortlichen aber keine Konsequenzen zogen. Erst im Mai 2017 hat die Staatsanwaltschaft sieben Leute angeklagt, die mit dem Bau befasst waren.

Was nun in Rastatt zu dem Unglück geführt hat, wird noch untersucht. Die Bohrmaschine stützt sich beim Vortrieb mit Hydraulikzylindern an der bereits errichteten Betonhülle ab; wichtig ist, dass die Maschinisten dabei behutsam vorgehen. Sind sie zu schnell, können sich Tunnelelemente verschieben. Fachleute vermuten, dass die Firmen in Rastatt es vielleicht zu eilig hatten. Den Geologen der beteiligten Bohrfirma indes eilt in der Branche ein guter Ruf voraus.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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