Reisemobile:Wohnen abseits der Straße

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Ein Trend auf der Caravaning-Messe CMT in Stuttgart: das geländetaugliche Reisemobil für Urlaub am Strand - oder zumindest auf Feldwegen. Dafür experimentiert die Branche mit Fahrgestellen mit Allradantrieb und neuartigen Wohnkabinen.

Von Thomas Harloff/Marco Völklein

Ein Ende des seit Jahren anhaltenden Wachstums in der Campingfahrzeug-Branche ist nicht in Sicht. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Hersteller von Wohnmobilen, Wohnwagen und Zubehör mit 10,3 Milliarden Euro Gesamtumsatz ein Plus von 17,8 Prozent gegenüber 2016 - und in diesem Jahr könnte es zumindest ähnlich weitergehen. Nach Angaben des Branchenverbands CIVD erwarten etwa 90 Prozent der Unternehmen, dass der Markt auch in diesem Jahr weiter wächst. Der Rest rechnet mit gleichbleibenden Geschäften, eine negative Entwicklung erwartet niemand. Laut CIVD wurden im vergangenen Jahr in Deutschland mehr als 40 500 Reisemobile und fast 22 700 Wohnwagen neu zugelassen. Und obwohl viele Reisemobilisten unter anderem darüber stöhnen, dass es wegen des Booms auf Camping- und Stellplätzen immer voller wird, versucht die Branche, die Nachfrage weiter anzuheizen. Auf der Stuttgarter Reisemesse CMT, die an diesem Wochenende zu Ende geht, zeigten die Hersteller zahlreiche Neuheiten. Ein Trend in diesem Jahr in den Stuttgarter Messehallen: das geländetaugliche Wohnmobil.

So zeigt zum Beispiel Fiat für seinen Basisfahrzeug-Bestseller Ducato ein Showcar namens Ducato 4x4 Expedition. Das Gefährt ist nicht ganz neu, zeigt aber: Die mobilen Hotelzimmer werden zusehends tauglich für Winter und Gelände - oder zumindest für Feldwege. Die Branche nutzt immer öfter Fahrgestelle mit Allradantrieb, damit die Suche nach Freiheit auch mal an entlegenen Campingplätzen oder gar direkt am Strand oder im Wald enden kann. Fiat rüstet den Ducato auf Wunsch nicht nur mit Allradantrieb, sondern auch mit erhöhter Bodenfreiheit und Sperrdifferenzial an der Hinterachse aus. Als Motor dient ein 2,3-Liter-Turbodiesel mit 130 PS.

Noch etwas geländegängiger ist die neue X-Klasse von Mercedes. Gerade einmal zwei Monate nach deren Markteinführung bietet die auf solche Aufbauten spezialisierte Firma Tischer bereits eine Wohnkabine für die Ladefläche des neuen Pick-ups an. Die Daten versprechen ein Raumwunder: Im Alkoven, also dem Balkon über dem Fahrerhaus, finden zwei Personen Schlafplätze im 1,50 Meter breiten Bett. Und zwei weitere, indem sie die drei Sitzplätze zur Liegefläche umbauen. Außerdem an Bord: eine Küche mit Dreiflammen-Gasherd und ein Bad mit Dusche, Klappwaschbecken und drehbarer Toilette. Am Urlaubsort lässt sich die Kabine absetzen, wodurch die X-Klasse zum handlichen Begleiter für Ausflüge und Erkundungstouren wird. Doch billig ist so ein Huckepack-Campingmobil nicht. Die auf der CMT gezeigte Kabine Trail 230S kostet 30 809 Euro; mindestens 37 295 Euro für das Basisfahrzeug kommen noch obendrauf.

Dethleffs zeigt als einer der ersten Hersteller ein elektrisch angetriebenes Wohnmobil

Damit ist aber das Limit in Sachen Geländegängigkeit längst nicht erreicht. Es gibt ja noch die Expeditionsmobile, die in ihrer extremsten Ausprägung auf den Fahrgestellen schwerer Lkw basieren. Die neuen Bimobil-Modelle EX 412 und EX 420 gehören in diesem Segment zur Einsteigerkategorie. Der Iveco Daily 4x4 trägt jeweils eine Wohnkabine aus Aluminium mit Platz für zwei (412) oder vier (420) Reisende. Sanitärbereich, Küche, Sitzgruppe und Stauraum gibt es in beiden Fällen. Genau wie die Geländegängigkeit des Iveco, die neben dem Allradantrieb ein Getriebe mit insgesamt 24 Vor- und vier Rückwärtsgängen und bis zu drei Sperrdifferenziale sicherstellen. Und natürlich der Dieselmotor mit 180 PS und maximal 430 Newtonmetern. Die Preise starten bei 180 560 Euro.

Noch hat die Elektromobilität keine großen Auswirkungen auf die Wohnmobil-Branche. Klar: Urlaubsfahrten erfordern große Reichweiten, und genau hier haben fast alle E-Mobile noch Probleme. Als erster Hersteller wagt sich Dethleffs an das Thema heran und präsentiert in Stuttgart die Studie E.Home. Das Fahrgestell liefert ein Iveco Daily Electric mit 80-Kilowatt-Drehstrommotor, dessen Batteriepaket einen Aktionsradius von bis zu 280 Kilometern gewährleisten soll. Damit im E.Home nicht wie üblich mit Gas geheizt und gekocht werden muss, sondern das ebenfalls per Strom passiert, beplankt Dethleffs ihn auf einer Fläche von 31 Quadratmetern mit Folie, in der sich Dünnschicht-Solarzellen befinden. So soll er möglichst viel der benötigten Energie selbst generieren.

Nicht wirklich neu sind Slide-Outs, also Erker, die per Knopfdruck seitlich ausgefahren werden, sobald das Wohnmobil steht - und so den Wohnraum vergrößern. Diese Technik fand sich bislang vor allem in schweren Luxus-Wohnmobilen; nun dringt sie auch in die Wohnmobil-Mittelklasse bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht vor. Beim 200 000 Euro teuren Protec Q18 vergrößern die je 60 Zentimeter breiten Slide-Outs nicht nur Einzelbereiche wie beispielsweise die Sitzgruppe; vielmehr lässt sich die Wohnfläche auf beiden Seiten über die gesamte Aufbaulänge maximieren. Protec verspricht eine Wohnfläche von 18 Quadratmetern, auf der sich beispielsweise zwei abgeschlossene Doppelbett-Schlafräume realisieren lassen.

Der Protec zeigt aber auch: Die technisch aufwendigen Slide-Outs treiben die Preise von Wohnmobilen stark nach oben, genau wie deren Gewicht. In der Wohnwagen-Kategorie, in der die Kunden strenger auf Preis und Gewicht achten, sind sie deshalb kein Thema. Eine Idee, wie der Wohnraum eines Caravans trotzdem erweitert werden kann, zeigt Dethleffs mit seiner Studie c'go 525 REZ: Dort gibt es am Heck ein Fold-Out statt eines Fensters, durch das der Caravan im Fahrzustand 17 Zentimeter länger und 70 Kilogramm schwerer wird. Wird der Fold-Out ausgeklappt, erhält der Caravan ein 185 mal 70 Zentimeter großes Einzelbett, das per Gasdruckfeder, Klappbeschlag und Stützen gehalten wird. Je nach Resonanz des Publikums will Dethleffs das System weiterentwickeln und womöglich bald in Serie anbieten.

Für mehr Stauraum im Heck haben Ford und Westfalia den Nugget nach hinten verlängert

Experimentiert wird zunehmend auch mit Farben. Denn es braucht keinen ausgedehnten Rundgang durch die CMT-Hallen, um festzustellen: Noch dominiert die Farbe Weiß. Das gilt bei Wohnwagen noch mehr als bei Reisemobilen. Doch nun tunkt Eriba, die Caravan-Marke der Hymer-Gruppe, den Touring Troll 530 auch in Farbe. Die Version "Ocean Drive" ist untenrum blau, die "Rockabilly"-Variante präsentiert ein kräftiges Rot. Farblich abgestimmte Möbel und Kissen runden das Konzept ab, hinzu kommen weitere Sonderausstattungen. Trotzdem ist der Aufpreis happig: Der Touring Troll 530 Ocean Drive/Rockabilly kostet 24 990 Euro - 4300 Euro mehr als das weiße Pendant.

Um diesen Preis einzuordnen: Konkurrent Hobby verkauft seine vollständig überarbeiteten Caravan Ontour für Preise zwischen 14 970 und 17 460 Euro. Für das Geld muss man auf etwas Farbe verzichten, aber auf sonst nichts. Der Hersteller bietet seine Einsteiger-Baureihe in vier Grundrissen an, mit Schlafplätzen für bis zu vier Erwachsene oder drei Erwachsene und zwei Kinder. Die Inneneinrichtung der Ontour-Modelle entspricht nun jener der übergeordneten De-Luxe-Reihe, auch die Serienausstattung ist kaum schlechter. Ein weiterer Vorteil der 2,20 Meter breiten und maximal 6,70 Meter langen Wohnwagen: Sie lassen sich problemlos mit einem Auto der Golf-Klasse ziehen.

Ein Klassiker unter den Wohnmobilen ist zudem der Ford Nugget, den der Autohersteller in Kooperation mit Westfalia fertigt. Ihn gibt es nun in einer etwas größeren Version: Er basiert weiterhin auf dem Ford Transit Custom Kombi - nun allerdings auf einer Variante mit 36,7 Zentimeter längerem Radstand. Das schafft Platz für eine mit Sichtschutz abschirmbare Toilette, ein zusätzliches abklappbares Waschbecken und mehr Stauraum im Heck. Den Küchenblock mit Zweiflammen-Gaskocher und 40-Liter-Kompressorkühlbox sowie die Außendusche an der Küchenrückseite behält der Nugget auch in seiner Plus-Variante bei. Die Preise starten bei 59 274 Euro, das sind gut 4000 Euro mehr als für den vergleichbaren Nugget mit kurzem Radstand.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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