Reifengeräusche im Verkehrslärm:Hör mal, wer da rollt

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Reifen sind heute so leise, wie nie zuvor. (Foto: dpa)

Im Kampf gegen den Verkehrslärm haben die Reifenhersteller achtbare Erfolge zu verzeichnen. Seit den 1970er-Jahren nahmen die Rollgeräusche deutlich ab. Doch die Verkehrsflut macht die Erfolge wieder zunichte.

Von Joachim Becker

Das Reifenlabel kennt fast jeder, was sich dahinter verbirgt, ist weniger bekannt. Seit 2012 zeigt der standardisierte Aufkleber drei Schlüsseleigenschaften der rotierenden Gummis: Das Zapfsäulensymbol gibt den Rollwiderstand und damit die Kraftstoffeffizienz an, das Regenwolkensymbol steht für den Grip auf nasser Fahrbahn und das Lautsprechersymbol markiert das Außengeräusch beim Abrollen.

Der Kampf gegen laute Pneus reicht bis in die Siebzigerjahre zurück. Seitdem wurden die zulässigen Grenzwerte für Lastwagen der Leistungsklasse über 150 kW von 92 auf heute 80 Dezibel reduziert. Für die Personenwagen fiel der Grenzwert von 84 Dezibel im Jahr 1970 auf 74 Dezibel. Was nach wenig klingt, ist ein erheblicher Fortschritt, schließlich entspricht eine Minderung um zehn Dezibel einer Halbierung der Lärmbelastung. Doch ruhiger ist es auf den Straßen nicht geworden. Alle Erfolge werden von der ständig steigenden Verkehrsflut wieder zunichtegemacht.

Seit 2001 haben sich Partner aus Industrie, Forschung und Behörden im Forschungsverbund "Leiser Straßenverkehr" engagiert, um den Lärm weiter zu reduzieren. Der Reifenhersteller Continental war von Anfang an dabei und hat die besonders lauten Lkw-Reifen unter Akustikgesichtspunkten optimiert. Lastwagen sind bei gleicher Geschwindigkeit um rund zehn Dezibel lauter als Pkws, weil ihre Reifen mit hohen Profilblöcken vor allem auf lange Laufleistung getrimmt werden. Die symmetrischen Reihen gleich langer Gummiklötze schlagen wie Soldaten im Stechschritt gleichzeitig auf dem Boden auf. "Reifen für die Antriebsachsen von Lkw sind durch die größere Profiltiefe und breiteren Querrillen prinzipiell lauter als Pkw-Reifen", sagt Continental-Reifenentwickler Lars Schnieders, "außerdem werden Pkw-Reifen seit Langem akustisch optimiert, weshalb das technische Wissen bei diesen Reifen deutlich größer ist."

"Ein profilloser Reifen wäre auf einer sorgfältig gefertigten, ebenen und glatten Fahrbahn völlig leise"

Die Entwicklung moderner, laufrichtungsgebundener oder asymmetrischer Reifen ist für Personenwagen schon ein alter Hut. Bei den nervtötend lauten Brummis können sie noch einiges zur Senkung des Reifen-Fahrbahngeräusches beitragen. Anfang dieses Jahres hat Continental bereits Pneus für Trailerachsen auf den Markt gebracht, die mit 69 Dezibel leiser sind als viele Autoreifen. Mit vier spurstabilisierenden Längsrillen und einem hohen geschlossenem Anteil kommen sie dem Ideal des Flüsterreifens schon recht nahe: "Ein profilloser Reifen wäre auf einer sorgfältig gefertigten, ebenen und glatten Fahrbahn völlig leise", erläutert der Physiker Frank Gauterin, "doch die Fahreigenschaften solcher Slicks wären vor allem bei Nässe absolut inakzeptabel." Das gilt gerade für Antriebsreifen, die selbst schwere Fuhren bei jedem Wetter sicher vorwärtsbringen müssen. Trotzdem sollen gerade die endlosen Lasterflotten im Fernverkehr leiser werden - die nächste Stufe der EU-Richtlinie schreibt von 2016 an eine weitere Geräuschreduzierung vor.

Wie laut oder wie leise ein Reifen ist, lässt sich an drei symbolischen Schallwellen auf dem Reifenlabel erkennen: Hat ein Reifen nur eine Schallwelle, liegt sein Geräuschpegel mindestens drei Dezibel unter den heutigen EU-Grenzwerten. Wird ein Reifen hingegen mit drei schwarzen Schallwellen gekennzeichnet, ist er um rund sechs Dezibel lauter und überschreitet ab November 2016 den dann gültigen Grenzwert für Neureifen. Ermittelt wird das Pkw-Rollgeräusch bei einer Prüfgeschwindigkeit von 70 bis 90 km/h (60-80 km/h für Lkw-Reifen) auf einer genau definierten Straßenoberfläche bei ausgeschaltetem Motor. Im Forschungsverbund "Leiser Straßenverkehr" wurde ein Simulationswerkzeug entwickelt, das die Optimierung der Geräuscheigenschaften von Reifen und Fahrbahn bereits im Computer erlaubt. Lohn der Arbeit: Continental will im nächsten Jahr einen Reifen für Lkw-Antriebsachsen auf den Markt bringen, der selbst die aktuellen Pkw-Grenzwerte einhalten soll.

© SZ vom 16.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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