Am Vormittag des 13. Dezember 2012 muss ein Schutzengel am Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße extrem wachsam gewesen sein. Um 10.45 Uhr löste sich ein mehr als 20 Kilogramm schwerer Betonbrocken aus der Decke und krachte mitten in die belebte Bahnhofshalle. Es hätte zu einem entsetzlichen Unfall kommen können. Doch alles was passierte, war, dass eine Frau einen Schock erlitt, der jedoch nicht einmal ärztlich behandelt werden musste.
Der Vorfall ist ein besonders eindrückliches Beispiel, welche Folgen marode Infrastruktur haben kann. Doch selbst wenn es nicht gleich um Leben und Tod geht - eine Gefahr für die Volkswirtschaft sind kaputte Bahnhöfe, Gleise, Straßen und Brücken auf jeden Fall. Als vor zwei Jahren eine Autobahnbrücke bei Leverkusen wegen Rissen drei Monate lang für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt wurde, mussten jeden Tag 15 000 Lkw Umwege fahren. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf 80 Millionen Euro geschätzt.
Deutschland verfällt, Deutschland bröckelt, Deutschland geht kaputt - das sind die Schlagzeilen, die plötzlich immer häufiger zu lesen sind. Doch wo kommt der Sanierungsbedarf auf einmal her? War Deutschland nicht noch bis vor kurzem weltweit für seine Infrastruktur berühmt? Doch. Aber genau das ist ein Teil des Problems. In der Vergangenheit wurde hierzulande immer viel gebaut. Neue Autobahnen, Umgehungsstraßen, dritte Spuren, Hochgeschwindigkeitsstrecken für ICE-Züge - Politiker aller Parteien ließen sich gerne dafür feiern, wenn sie für ihren Wahlkreis etwas davon ergattern konnten. Der Gedanke, dass alles, was gebaut wird, auch gepflegt werden muss, wurde verdrängt, zumal Streckensperrungen für Sanierungen selten auf Begeisterung stoßen. Reparaturen wurden hinausgezögert, manchmal eben auch zu lange - oder, wie Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) es formulierte: "Wir haben mindestens 20 Jahre verschlafen."
Deutschland verfügt somit zwar über ein dichtes Verkehrsnetz von knapp 13 000 Kilometern Autobahn, 40 000 Kilometern Bundesstraße, 600 000 Kilometern Land-, Kreis- und Kommunalstraßen sowie 35 000 Kilometern Schienennetz. Aber sie verlieren täglich an Wert. Laut Verkehrsinvestitionsbericht befinden sich 20 Prozent der Autobahnen sowie 41 Prozent der Bundesstraßen bereits in einem kritischen Zustand. Von den Autobahnbrücken sind sogar fast die Hälfte marode (46 Prozent).
Die 600 Millionen Euro, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt künftig durch eine Pkw-Maut für Ausländer einnehmen will, werden da kaum helfen. Zwei Regierungskommissionen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass allein für die Instandhaltung der Wege von Bund, Ländern und Kommunen jährlich 4,55 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden müssten als bislang. Neu- und Ausbau sind da noch nicht mitgerechnet, und auch nicht der aufgelaufene Nachholbedarf von mehr als 40 Milliarden Euro.