Porsche:Teure Symbiose

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In den USA schon länger ein Trend: Moderne Technik in alte Porsches einbauen. Das hat seinen Preis.

Von Thomas Harloff

Der beste Porsche 911 aller Zeiten? Das ist immer der aktuellste. Wirklich? Es gibt viele Porsche-Fans, die vergöttern vor allem Aussehen, Motorklang und Fahrverhalten der frühen Versionen, die in ihren Augen den idealen Sportwagen verkörperten. Doch immer mehr Liebhaber der Marke möchten das Beste aus zwei Welten. Die Ästhetik des Alten, aber ein bisschen mehr Leistung darf der Elfer schon haben. Und wenn er nicht ganz so altmodisch zu fahren und auch noch ein bisschen sparsamer, sauberer und zuverlässiger ist, umso besser. Sie wollen eines dieser Autos, das man neudeutsch "Modern Classic" nennt, eine Symbiose aus Alt und Neu.

Das ist längst ein Trend, wenn auch einer für Gutbetuchte. In den USA sind solche Autos besonders gefragt, denn zwischen Ost- und Westküste schert man sich wenig um Originalität. Anders als in der hiesigen Oldtimer-Szene spielt das Diktat der "Matching Numbers", bei dem Antriebsstrang und Karosserien samt ihrer Identifikationsnummern untrennbar zusammengehören, dort nur eine untergeordnete Rolle. Für die US-Autofans kommt es auf Stil und Coolness an, auf das Auftreten, nicht so sehr auf die Regeln. Wenn moderne Technik das Auto aufregender macht, dann wird sie eben eingebaut.

Gute Voraussetzungen, um damit sein Geld zu verdienen. Das hatte Rob Dickinson jedoch noch nicht im Sinn, als er kurz nach der Jahrtausendwende seine mittelmäßig erfolgreiche Musikerkarriere beendete, von England nach Nordamerika auswanderte und sich dort seiner anderen Leidenschaft widmete: den Autos von Porsche. Genug Geld, um sich einen betagten 911 kaufen und komplett umbauen zu können, hatte Dickinson in seiner Rocker-Karriere immerhin verdient. Original war an diesem Auto schließlich kaum noch etwas. Dickinsons Elfer erregte Aufsehen in Los Angeles, manch einer wollte ihn sogar kaufen, dem Vernehmen nach auch der eine oder andere Hollywood-Star. Dickinson merkte, dass die Nachfrage stieg, und gründete 2009 die Firma "Singer Vehicle Design". Seitdem macht Singer nichts anderes, als alte Porsche-911-Karosserien zu restaurieren, an den entscheidenden Stellen zu liften und mit neuem Innenleben zu füllen. Die alte Hülle verbinden Dickinsons Leute mit modernerer Antriebstechnik. Ins Heck zieht der Sechszylinder-Boxer des Nachfolgemodells 993 ein, "der letzte luftgekühlte", wie Porsche-Kenner wissen. Ein Singer-Porsche kostet fast 500 000 US-Dollar - zuzüglich der 964er-Karosserie, die der Kunde mitbringen muss. Kein Wunder, dass aus dem Hobby von einst für Dickinson in nicht einmal sieben Jahren ein sehr einträgliches Geschäft geworden ist.

Mit seinem Projekt "Retro" macht Roger Kaege es umgekehrt: Eine Antikkur für das moderne Design

Wer aber glaubt, dass solche Autos nur in Amerika gebaut werden, irrt. In Bayern gibt es eine traditionsreiche Firma, die genau solche Porsche 911 schon lange anbietet. Wenn es um originalgetreue Restaurationen oder den Aufbau solcher sogenannter "Modern Classics" ging, galt Ruf Automobile, sonst eher als Porsche-Tuner bekannt, bislang jedoch höchstens als Geheimtipp. Aber auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Genfer Autosalon riefen die Allgäuer mit gleich drei Neuerscheinungen in klassischer Optik genau diese Kernkompetenz ins Gedächtnis der Porsche-Enthusiasten zurück.

Ruf, Singer, oder auch der rauschebärtige Magnus Walker aus Kalifornien: Das sind inzwischen große Namen im Porsche-Universum. Roger Kaege, Autohändler und Porsche-Tuner aus Rheinland-Pfalz, fehlt dazu noch ein Stück. Vielleicht hilft ja sein aktuelles Projekt, das er schlicht "Retro" nennt, den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Inspiriert von Singer, das gibt er unumwunden zu, wollte Kaege jenen Porsche-Geist lebendig werden lassen, nach dem derzeit so viele zahlungskräftige Fans der Marke suchen. Allerdings, das ist ja klar, "wollten wir es besser machen".

Also ging Roger Kaege die Sache anders an. Statt den modernen Antrieb mit der alten Karosserie zu verheiraten, gestalten seine Mitarbeiter das 993-Design so lange um, bis das Auto einem Porsche 911 aus den frühen Siebzigern zum Verwechseln ähnlich sieht. "In unserem Auto ist vieles serienmäßig, das Singer erst nachrüsten muss", sagt Roger Kaege, "und jedes Auto ist ein Unikat."

Die ausführliche Version unter: sz.de/porscheumbau

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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