Nach dem Aus von Montezemolo:Marchionne muss behutsam mit Ferrari sein

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Fiat-Chef Sergio Marchionne steht nun auch an der Spitze Ferraris. (Foto: dpa)

Fiat-Chef Marchionne ist nun auch Ferrari-Boss - er braucht die Sportwagenschmiede für seine Konzernpläne. Doch eine zu enge Bindung an Fiat hat schon Lancia und Alfa Romeo geschadet.

Von Thomas Fromm

Der gelernte Wirtschaftsprüfer und Anwalt Sergio Marchionne ist bisher kaum als Formel-1-Experte in Erscheinung getreten und es ist sehr gut möglich, dass er auch keiner ist. Dass der Fiat-Boss nun Ferrari-Chef Luca di Montezemolo nach 23 Jahren an der Spitze ablöst und dies mit den schwachen Leistungen des Rennteams begründet wird, ist daher keine gute Ausrede. Es ist eigentlich ein ziemlich schlechter Witz.

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Marchionne geht es nicht um Autorennen. Der Manager will bei Ferrari durchregieren, weil er die Sportwagenschmiede für seine ambitionierten Konzernpläne braucht. Trotz ihres 90-Prozent-Anteils konnten die Turiner bei Ferrari nicht kommandieren, weil Montezemolo, der charismatische Hausherr von Maranello, sein Reich mit Zähnen und Klauen verteidigte. Dass die klammen Turiner ihrem Grafen noch eine Abfindung von 27 Millionen Euro mit auf den Weg geben, zeigt: Es konnte am Ende nicht schnell genug gehen.

Alfa und Lancia war die enge Zusammenarbeit mit der Mutter nicht gut bekommen

Ferrari steht nun vor den wohl größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Marchionne plant einen Luxus-Pool mit den Töchtern Ferrari, Maserati und Alfa Romeo. Das ist vom Grundsatz her keine schlechte Idee, wenn er damit das Schicksal der Sportwagenschmiede nicht so eng mit dem der Turiner Mutter verweben würde. Denn scheitert Marchionne, dürften die Autos aus Maranello bei Fiat unter die Räder kommen - so wie es schon anderen Marken geschah.

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Zugespitzt könnte man sagen: Ferrari soll mit seinen Millionengewinnen und seinem Luxus-Image helfen, Fiat zu retten. Und mehr als bisher Motoren und andere Top-Technologien für den Rest des Konzerns liefern. Die Hoffnung ist, dass ein bisschen von dem Erfolg und der Qualität der Tochter auch bei den anderen Töchtern hängen bleibt. Im Kern geht es um das, was eine Marke wie Ferrari ausmacht: Exklusivität.

Ein Ferrari Cayenne? "Um Gottes Willen!"

Montezemolo hatte verstanden, dass es Dinge gibt, die man für sich behalten muss, wenn man exklusiv bleiben will. Dass man nicht unendlich viel verkaufen darf, auch wenn die Nachfrage da ist - exklusiv wird ein Produkt vor allem dann, wenn es künstlich verknappt, also limitiert wird. So verkauft Ferrari an die 7000 Autos im Jahr, was Marchionne, der in Stückzahlen denkt, ändern dürfte.

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Wie man mehr Autos verkauft, machen andere wie Porsche gerade vor: Man nimmt bei den Kunden beliebte Geländelimousinen wie den Cayenne ins Programm. Nur: Porsche hat im vergangenen Jahr über 160 000 Autos ausgeliefert und ist verglichen mit Ferrari schon fast ein Massenhersteller - Ferrari dagegen steht für einen klar definierten Stil. Vor einiger Zeit sagte Montezemolo im SZ-Interview auf die Frage, ob er sich einen "Ferrari Cayenne" vorstellen könnte: "Um Gottes willen, nein. Und solange ich hier bin, bleibt es dabei."

Nun ist er ja nicht mehr da.

Fiat hat Erfahrung damit, große italienische Traditionsmarken an sich zu ziehen. Nun ist das Spiel der Mehr-Markenstrategie in Autokonzernen eine sehr komplizierte Sache. Einige Konzerne beherrschen es, andere weniger. Bei Fiat kam in den vergangenen Jahren vor allem eines dabei heraus: Minestrone. Gut umgerührt und erhitzt, oft auch nett präsentiert - nur leider wurden viele der edlen Ingredienzien dabei oft zerkocht.

Marchionne sollte behutsam vorgehen

Zum Beispiel Lancia. 1906 in Turin gegründet, galt sie jahrzehntelang als die Edelmarke Italiens. 1969 kam sie zu Fiat, seit Jahren ging es bergab. Zuletzt wurden in Europa vor allem Chrysler-Fahrzeuge unter dem Lancia-Logo verkauft. Aus dem Chrysler 300 C wurde auf einmal der Lancia Thema - als ob der Ami-Schlitten auch nur irgendetwas gemein hätte mit dem klassischen Lancia-Stil. Die Sache ging - natürlich - schief. Es wird seit Langem spekuliert, was aus Lancia werden soll. Möglich, dass vom großen Ruhm am Ende nur noch der kleine Lancia Ypsilon übrig bleibt. Möglich auch, dass die Marke ganz eingestampft wird.

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Beispiel Alfa Romeo: 1986 hatten sich die Turiner die legendären Mailänder geschnappt. Den Autos mit dem markanten Scudetto-Kühlergrill ging es damals nicht gut, durch die enge Umklammerung mit dem großen Konzern wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Nach den Qualitätsproblemen kamen die Image-Sorgen, im vergangenen Jahr wurden gerade noch 74 000 Alfas verkauft.

Jetzt also Ferrari. Was Marchionne nun genau vorhat, wird er irgendwann erklären müssen. Er sollte behutsam mit der Marke umgehen - es ist eine der letzten großen Karten, die er noch hat.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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