Jet Embraer Phenom 100:Billigflieger für Reiche

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Kleine Düsenjets wie die Phenom 100 sollen Geschäftsflüge erschwinglicher machen. An welchen Stellen sie sich von großen Fliegern unterscheiden - und warum sie so billig sind.

Andreas Spaeth

Flugkapitän Marcos Cruz Pereira hat sich längst daran gewöhnt, dass er auch nach der Landung keine ruhige Minute hat: "Wo auch immer wir sind, kommen andere Piloten und wollen sich das Flugzeug anschauen." Der Brasilianer ist Werkspilot und Fluglehrer bei Embraer, dem viertgrößten Flugzeughersteller der Welt, und fliegt derzeit mit der neuen Phenom 100 durch Europa - einem Zweistrahler für vier Passagiere, der Maßstäbe bei den Business Jets setzen soll. Denn die Phenom gehört zu einer völlig neuen Flugzeugklasse, den sogenannten Very Light Jets (VLJs).

Nach dem Abheben sticht diePhenom 100in steilem Winkel in den Himmel. Innerhalb von nur 25 Minuten steigt sie auf 12.300 Meter. (Foto: Foto: oh)

Schon seit einigen Jahren wartet die Luftfahrtbranche auf die angekündigte Revolution durch die kleinen Jets, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie von nur einem Piloten geflogen werden dürfen. Zudem sind sie mit einem Höchstabfluggewicht von 4,5 Tonnen leichter als andere Geschäftsreiseflugzeuge, brauchen zum Start nur 900 Meter Piste und können die Fluggäste bis zu 2000 Kilometer weit befördern - das alles bei wesentlich niedrigeren Betriebskosten als bisher üblich.

Günstige Punkt-zu-Punkt-Flüge

Damit ausgerüstet, so wurde allgemein erwartet, sollten florierende Lufttaxi-Unternehmen entstehen, die günstige Punkt-zu-Punkt-Flüge auf Abruf anbieten - und das bis zu 50 Prozent billiger als bisherige Privatjet-Tarife. Ryanair für Reiche, sozusagen.

Doch die Revolution blieb aus; die Finanzkrise setzte der Business-Fliegerei weltweit zu. So hatte der einst größte US-Anbieter von VLJ-Diensten, Eclipse Aviation, 2500 Exemplare des Leicht-Jets Eclipse 500 bestellt; doch Ende 2008 ging Eclipse Pleite und wurde in diesem Jahr aufgelöst. Nicht besser erging es dem Ende 2007 in Florida gestarteten Lufttaxi-Unternehmen DayJet, das innerhalb von fünf Jahren 1000 Maschinen vom Typ Eclipse 500 einsetzen wollte, aber bereits nach einem Jahr am Ende war.

Privatjets jeder Art haben derzeit einen schweren Stand - und das nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo Präsident Barack Obama verkündete, dass es "für Unternehmen heute sicher nicht mehr zeitgemäß" sei, eigene Jets zu unterhalten. Eine Breitseite, aus der die VLJ-Betreiber aber auch Hoffnung schöpfen.

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Die Reise ist kurz, aber teuer: 200.000 Euro sollen Touristen für drei Minuten in der Schwerelosigkeit zahlen. Dafür ist die Aussicht spektakulär.

So will im September Europas erste Low-Cost-Privatjet-Linie Jetbird mit zunächst zehn Phenom 100 auf dem Flughafen Köln/Bonn an den Start gehen. "Von den 300 Privatjet-Besitzern in Deutschland wollen derzeit 39 ihr Flugzeug verkaufen", weiß Siegfried Roemer, Verkaufsdirektor von Jetbird, "da ist unser Angebot der ideale und günstigere Ersatz." Und Jetbird will es den Kunden möglichst einfach machen: zum Beispiel durch eine Online-Buchung, wie es sie bisher nur bei Billig-Airlines gibt; Zwischenhändler und Vermittler fallen damit weg, alle Gebühren werden ausgewiesen. Zudem müssen, anders als beim führenden Anbieter NetJet, keine kostspieligen und bindenden Anteile mehr erworben werden.

"Bei uns kostet die erste Flugstunde 3300 Euro, die zweite 2200 Euro", erklärt Roemer; andere Anbieter mit größeren Flugzeugen sind deutlich teurer. Ein Tagesflug von Köln/Bonn nach Nizza und zurück zum Beispiel kostet 7200 Euro, alles inklusive. Und dank der Flugeigenschaften stehen den kleinen Jets 800 Flugplätze in ganz Europa zur Verfügung; häufig nutzen die Piloten zeitsparende Pisten abseits der großen, internationalen Airports - zum Beispiel Egelsbach nahe Frankfurt oder Oberpfaffenhofen bei München.

Ein Pilot reicht aus

Bei jeder der vielen Zwischenlandungen erklärt Marcos Cruz Pereira seinen Kollegen immer wieder geduldig die Vorteile der Phenom 100: "Unser Gepäckabteil ist das größte dieser Klasse, 160 Kilogramm können wir mitnehmen. Und schauen Sie - so kurz und simpel ist unsere Checkliste vor dem Start." Die Arbeitsbelastung für den Piloten sei im Cockpit sehr gering, versichert Pereira, als er vor den drei großen Zwölf-Zoll-Displays Platz genommen hat. Kein Problem, das Flugzeug allein zu fliegen, findet er, aber: Kommerzielle Anbieter wie Jetbird setzen dennoch grundsätzlich zwei Piloten ein, die über eine Verkehrspiloten-Lizenz verfügen.

Aber auch Inhaber eines Privatpilotenscheins mit Jet-Flugberechtigung dürfen einen VLJ steuern. In der Kabine müssen die vier sich gegenübersitzenden Passagiere im Vergleich zu größeren Flugzeugen keinerlei Abstriche am Komfort machen. Jetbird bietet sogar eine Toilette an Bord - wenn auch nur durch einen Vorhang abteilbar.

Marcos Cruz Pereira und sein Copilot sind bereit zum Start. Nach dem Abheben sticht die Phenom 100 in steilem Winkel in den Himmel. "Unsere PW617-Motoren wurden eigens für VLJs entwickelt und sind sehr kraftvoll", erklärt Pereira aus dem Cockpit, "innerhalb von nur 25 Minuten steigen wir auf 41.000 Fuß, also 12.300 Meter, und fliegen oberhalb des meisten Linienverkehrs und über schlechtem Wetter."

© SZ vom 31.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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