130 Jahre Benz-Motorwagen:Hat Carl Benz wirklich das Auto erfunden?

Lesezeit: 3 min

Der von Carl Benz entwickelte Patent Motorwagen von 1886: die komplette Antriebseinheit mit Einzylinder-Motor, Riemenvorgelege, Differenzial und Achsantrieb sitzen im Heck. (Foto: Daimler AG)

Es spricht einiges dafür, dass die Erfindung des Automobils kein Marketingstreich von Mercedes ist.

Von Benjamin Köbler-Linsner

2016 feiert das Automobil einen halbrunden Geburtstag. Zumindest, wenn man annimmt, dass Carl Benz der Erfinder ist. Denn 1886, vor 130 Jahren, reichte er seinen Patentantrag ein. Dabei waren motorisierte Fahrzeuge bereits vorher verbreitet. Schon 1478 zeichnete Leonardo da Vinci einen Entwurf für ein sich selbst bewegendes Fahrzeug. Doch im 15. Jahrhundert fehlten schlicht die Möglichkeiten, es auch zu bauen.

Anders war das 1769. In diesem Jahr stellte der Franzose Nicolas Cugnot in Paris den Prototyp eines Dampfwagens vor. Dieses "Fardier" genannte Fahrzeug war dafür gedacht, Waffen und anderes Kriegsgerät für das Militär zu transportieren. Ausgehend von dieser Entwicklung, breitete sich der Dampfantrieb in Frankreich und England rasch aus. Schon in den 1820er-Jahren gab es in England etwa 100 selbstfahrende Dampfkutschen.

Im viktorianischen Zeitalter konnten sich reiche Fahrgäste mit dampfbetriebenen Bussen durch London kutschieren lassen. Vielen Menschen waren die qualmenden Stahlkolosse jedoch nicht geheuer. Ein Großteil der Fahrgäste nutzte weiterhin die Pferdekutschen.

Erfindung des Automobils
:Aus der alten Zeit

Daimler oder Benz, Benz oder Mercedes? Zum 125. Jubiläum des Automobils ist es Zeit, auf die wahre Urheberschaft bei der Erfindung des Automobils hinzuweisen.

Kurze Ära der Dampffahrzeuge

Die neue Fortbewegung weckte Ängste und Sicherheitsbedenken. Tödliche Unfälle, denen insbesondere Kinder zum Opfer fielen, häuften sich schlagartig. Der britische Highway Act erwähnte deshalb bereits 1835 explizit dampfbetriebene Straßenfahrzeuge. Wenige Jahre später wurde für Fahrzeuge, die nicht von Tieren oder Muskelkraft angetrieben wurden, eine Maximalgeschwindigkeit von 3,2 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften vorgeschrieben. Außerorts waren höchstens 6,4 km/h erlaubt. Außerdem musste vor jedem Fahrzeug ein Mann mit einer roten Flagge laufen. Diese Bestimmung gab der Verordnung ihren Namen: Red Flag Act.

Die Ära der Dampffahrzeuge war kurz: Anfang des 20. Jahrhunderts interessierte sich kaum noch jemand für sie. Der Brennstoffverbrauch war im Vergleich zur geringen Leistung zu hoch und wegen der langen Vorglühzeit war der Dampfwagen im Alltag kaum zu gebrauchen. Heute erinnert nur noch wenig an diese automobile Epoche. Darunter das aus dem Französischen entlehnte Wort Chauffeur, das ursprünglich Heizer bedeutet.

Als Gegenentwurf zum qualmenden Dampfantrieb arbeiteten Ingenieure an elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben Robert Anderson und Thomas Davenport unabhängig voneinander erste Elektrokutschen. 1881 - und damit fünf Jahre vor Benz - stellte Gustave Trouvé ein elektrisch betriebenes Dreirad der Öffentlichkeit vor. Auch Ferdinand Porsche arbeitete als junger Ingenieur an Elektrofahrzeugen. Im Auftrag des österreichischen Wagenbauers Lohner entwickelte er 1900 den Lohner Porsche, der es auf immerhin 35 km/h bei einer Reichweite von 50 Kilometern brachte. Die Wiener Feuerwehr orderte 40 Fahrzeuge dieses Typs und in Berlin war das E-Auto fester Bestandteil der Taxi-Flotte.

Wie auch beim Dampfwagen überwogen schließlich die Nachteile des Elektroantriebs. Es waren Mankos, die auch heute noch thematisiert werden: Er war zwar sauber und leise, dafür mussten die Batterien lange aufgeladen werden. Da sich die Reichweite selbst nach mehreren Jahren nur minimal steigern ließ, waren Elektroantriebe für lange Reisen nicht zu gebrauchen und die Weiterentwicklung der Fahrzeuge wurde eingestellt.

Geschichte der Elektroautos
:Lange Leitung

Elektroautos gab es schon im 19. Jahrhundert. Dann unterlag diese Antriebsform dem Verbrennungsmotor, und es blieb lange still. Jetzt hat die alte Idee eine große Zukunft.

Joachim Becker

Für Alain Cerf, Eigentümer des Automuseums Tampa Bay in Florida, ist Cugnots Dampfwagen das erste Automobil der Welt. Ein Nachbau des Fardier, der sich in Carfs Museum befindet, ist entsprechend betitelt. Cerf beruft sich auf die Wortherkunft, denn Automobil ist eine Kombination aus dem griechischen Wort "autos" und dem lateinischen Begriff "mobilis" und bedeutet selbstbeweglich. Diese Eigenschaft erfülle der Fardier. Das Deutsche Museum in München zweifelt nicht an der Vorreiterrolle Cugnots. Als Automobil wurde der Fardier aber nicht bezeichnet, der Begriff entstamme einer späteren Zeit, betont Bettina Gundler. Die Leiterin der Abteilung Landverkehr erläutert: "Der Dampfwagen von Cugnot ist das erste Kraftfahrzeug. Das Dreirad von Benz ist dagegen das erste funktionstaugliche Fahrzeug mit einem Verbrennungsmotor".

Vier Räder sind schwer zu steuern

Mit seinem benzinbetriebenen Ottomotor ist der Patent-Motorwagen dem heutigen Auto ähnlicher als andere mechanisch angetriebene Fahrzeuge seiner Zeit und deshalb Vorbild des modernen Automobils mit Verbrennungsmotor. Im Gegensatz zur konkurrierenden Motorkutsche, die Gottlieb Daimler fast zeitgleich mit Benz entwickelte, war der Patent-Motorwagen leichter zu steuern. Während Daimler eine gewöhnliche Pferdekutsche umbaute, entschied sich Benz für ein wendigeres, von Grund auf neu konstruiertes Dreirad.

Der Patent-Motorwagen ist das Ergebnis einer technischen Evolution. Es waren die vorangegangenen Entwicklungen, die Benz zu seinem Patent-Motorwagen inspiriert hatten. Cugnot, Trouvé und weitere Erfinder haben wichtige Vorarbeit auf dem Weg zum Automobil geleistet.

© sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Erfindung des Automobils
:Nicht Daimler, sondern Benz

Daimler oder Benz, Benz oder Mercedes? Zum 125. Jubiläum des Automobils ist es Zeit, auf die wahre Urheberschaft bei der Erfindung des Automobils hinzuweisen.

Eberhard Reuß

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: