Fernlinienbus:Nächster Halt: Berlin

Lesezeit: 3 min

Derzeit dürfen innerdeutsche Fernbuslinien nur in der Hauptstadt starten oder enden -iIm kommenden Jahr soll eine Gesetzesänderung für Liberalisierung sorgen.

Joachim Becker

In die Hauptstadt für weniger als die Hälfte: Wer fahren und sparen will, ist auf der Autobahn, und dann sogar noch mit Chauffeur, am günstigsten unterwegs. Das ergab eine ADAC-Studie, die 160 Ticketpreise von Bus und Bahn zu den jeweils günstigsten Konditionen verglichen hat.

Fahr-Geschäft: Wer mit dem Fernlinienbus fahren wilk, kann das derzeit nur von und nach Berlin. Das soll sich ändern. (Foto: N/A)

Beim Unternehmen Berlin Linien Bus zum Beispiel beginnen die Preise für die Fahrt von München nach Berlin mit 33 Euro; bei der Bahn sind für dieselbe Strecke mit langsamen Regionalzügen schon mehr als 70 Euro fällig. Und mit dem schnellen ICE sind es sogar mehr als 110 Euro. Im Durchschnitt ist eine einfache Bahnfahrt also um mehr als das Dreifache teurer als ein entsprechendes Busticket, ergab die ADAC-Studie.

Entsprechend begehrt könnten Busfernlinien sein - wenn sie denn überall zugelassen wären. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) geht davon aus, dass Fernbuslinien in Deutschland einen Marktanteil von gut 25 Prozent erreichen könnten. Aber noch sind überregionale, innerdeutsche Busverbindungen nur mit Sondergenehmigung auf Strecken von und nach Berlin möglich.

Diese Restriktionen gehen auf ein Gesetz aus dem Jahr 1934 zurück, das die hohen staatlichen Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes schützen sollte. Nun will die Regierung den Wettlauf zwischen Straße und Schiene ermöglichen: "Wir werden Busfernlinienverkehr zulassen und dazu Paragraf 13 des Personenbeförderungsgesetzes ändern", heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP.

Ob die Autobahnen allerdings mehr Busverkehr verkraften, hängt davon ab, wie groß die Zahl derer sein wird, die vom Auto umsteigen. "Das Busangebot kann besonders für Personen attraktiv sein, die bisher mit dem Pkw gereist sind. Dadurch werden Einzelfahrten gespart und ökologische Vorteile erzielt", heißt es im Bundesverkehrsministerium. Ein stärkerer Einsatz im Fernverkehr sei auch wünschenswert, weil der Bus ein "sicheres und klimafreundliches Verkehrsmittel" sei, erklärt der VDA.

So habe die Unfallhäufigkeit bei Bussen seit 1970 um 50 Prozent abgenommen. Und beim Klimaschutz habe der Bus mit einem Verbrauch von nur 1,4 Liter auf 100 Kilometer je Passagier die Nase vorn. "Der Bus ist mit 31 Gramm CO2 je Fahrgast und Kilometer ein Klimaschützer. Gerade diese Stärken müssen eingesetzt und nicht noch mit zusätzlichen Abgaben, etwa durch Maut, belastet werden", fordert VDA-Präsident Matthias Wissmann.

Busmaut oder nicht - das ist ein entscheidender Streitpunkt im Tauziehen zwischen Schiene und Straße. Derzeit prüft das Bundesverkehrsministerium mehrere Lösungsvarianten für die sukzessive Freigabe aller möglichen Busrouten; im nächsten Jahr könnte das parlamentarische Verfahren zur Gesetzesänderung über die Bühne gehen.

Noch aber steht die Bahn auf der Bremse. "Zur Vermeidung von weiteren Wettbewerbsverzerrungen ist eine Mautpflicht für Fernbuslinienverkehre unabdingbar", heißt es in einem Positionspapier. Von Mehrkosten aber will der VDA nichts wissen: "Aus Wettbewerbsgründen sind weitere Belastungen nicht geboten, da die deutschen Omnibusse auf Autobahnen ihre Wegekosten zu mehr als 300 Prozent abdecken, wie ein Gutachten des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt", so Wissmann.

Die zitierte DIW-Studie errechnete für das Jahr 2007 Gesamtwegekosten für Kraftomnibusse auf Autobahnen von lediglich 29 Millionen Euro. Die Nutzung der Bundesstraßen eingerechnet, entstehen Kosten in Höhe von 67 Millionen Euro. Aber die Busse werden weit darüber hinaus zur Kasse gebeten: Die Einnahmen des Bundes aus Energie- und Kraftfahrzeugsteuern für Busse betragen umgelegt auf die Autobahnnutzung 92 Millionen Euro, inklusive der Bundesstraßen sind es sogar 157 Millionen Euro.

"Der Busverkehr deckt demnach vollumfänglich seine Wegekosten", heißt es in einer Studie der Universität Friedrichshafen im Auftrag des VDA, "es besteht nach den vorliegenden Zahlen sogar umgekehrt eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten des Fernbusses. Denn die Deutsche Bahn AG kommt im Schienenpersonenfernverkehr nur auf einen Wegekostendeckungsgrad von 56 Prozent". Während die Bahn 10,6 Milliarden Euro für den Erhalt des Schienennetzes berappen muss, bringt dessen Nutzung lediglich 4,9 Mrd. Euro ein.

Branchenkenner erwarten, dass Billigangebote mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs deutlich zunehmen werden. "Mehr Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern Bus und Bahn wird letztlich den Reisenden zugute kommen", erwartet ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Der Club warnt aber vor Billigmobilität um jeden Preis: "Bedingung ist neben der Auslastung der Busse die Einhaltung hoher Sicherheitsanforderungen sowie der Umwelt- und Sozialstandards."

© SZ vom 15.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ADAC-Test: Busfahrten zur Schule
:Rasen mit Kindern

Defekte Fahrkartenautomaten, fehlende Fahrpläne, überhöhte Geschwindigkeit, drängelnde Kinder: Im ADAC-Test schnitt nur jede vierte Busfahrt zur Schule gut ab.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: