Autotest:Verspielt, aber auch seriös

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Wirkt geländegängig, wird aber lediglich mit Frontantrieb ausgeliefert: Der Kia Stonic ist ein typischer Vertreter im Segment der Crossover-SUVs. (Foto: Kia)

Der Kia Stonic bietet Kurvenspaß mit beschränktem Praxisnutzen. Der Kofferraum hat nur Durchschnittsgröße und im Fond geht es ziemlich eng zu.

Von Thomas Harloff

Sie wollen sich als altmodisch outen? Kein Problem! Kaufen Sie sich einfach, und zwar aus Überzeugung, ein Auto, bei dem das Dach in Wagenfarbe lackiert ist. Das ist nämlich überhaupt nicht mehr angesagt. Im Gegenteil: Die Mode, dass Autodächer eine andere Farbe tragen wie die Karosserie, ist von Kleinwagen wie dem Mini oder Škoda Fabia längst auf die Modelle anderer Segmente übergegangen. Vor allem die derzeit so beliebten SUV-Crossover sehen oben immer öfter anders aus als unten. Der VW T-Roc und der Opel Crossland X zum Beispiel. Oder der Kia Stonic.

Kia bietet für den Stonic neun Karosserie- und fünf Dachfarben an. Da nicht jede Paarung erlaubt ist, lässt er sich in 20 Zweiton-Varianten ordern. Das ergibt mit dem in vier Farbwelten - komplett in Schwarz oder mit Akzenten in Grau, Hellgrün oder Orange - erhältlichen Interieur jene Individualisierungsmöglichkeiten, die Käufer solcher Autos schätzen. Das typische Möchtegern-Geländewagen-Outfit mit Plastikplanken an Stoßfängern und Radhäusern und einem angedeuteten Unterfahrschutz trägt der Koreaner aber immer.

So verspielt er sich außen gibt, so seriös ist der Kia Stonic innen. Wenn nicht gar konservativ mit dem überall präsenten Plastik und den klassisch analogen Rundinstrumenten. Sieht man vom mit Knöpfchen überfrachteten Multifunktionslenkrad ab, präsentiert sich das Cockpit klar strukturiert. Ziemlich fortschrittlich, zumindest in der Klasse der kleinen SUVs, ist das Infotainmentsystem, dessen Herz bereits in der Basisversion ein Sieben-Zoll-Touchscreen ist. Dessen grafische Umsetzung überzeugt, in der aufgeräumten Menüstruktur findet man sich gut zurecht.

Es kann passieren, dass mancher Mitfahrer sein Gepäck auf dem Schoß transportieren muss

Besonders geräumig ist er allerdings nicht, der Kia Stonic. Jedenfalls im Fond, wo die Passagiere Mühe haben, ihre Beine zu sortieren. Auch deshalb, weil sie ihre Füße nicht weit unter die vorderen Sitze schieben können. Es kann auch passieren, dass mancher Mitfahrer sein Gepäck auf dem Schoß transportieren muss. Der Kofferraum ist mit 352 bis 1155 Liter Fassungsvermögen nur durchschnittlich groß. Dafür gibt es hier einen Zwischenboden, der entweder herausnehmbar ist, um hohe Gegenstände zu transportieren, oder unter sich Krimskrams verdeckt. Pfiffig ist der USB-Port am hinteren Ende der Mittelkonsole, an dem ein Fondpassagier zum Beispiel den Akku seines Smartphones laden kann.

Der erste Eindruck, wenn man auf dem bequemen Fahrersitz Platz nimmt: Der Stonic könnte übersichtlicher sein, die nach hinten schmaler werdenden Fenster und die breite C-Säule schränken die Rundumsicht ein. Und so SUV-typisch hoch, dass sich der Verkehr überblicken ließe, sitzt man in ihm nicht. Dafür erkennt man den engsten technischen Verwandten, den Kia Rio, im Fahrverhalten wieder. Zuerst bei der Fahrwerksabstimmung. Die ist beim Stonic ähnlich straff wie beim Rio. Unebenheiten filtern Federn und Dämpfer nur unzureichend heraus, was vor allem auf der Autobahn nervt. Querfugen lassen die Insassen bei Geschwindigkeiten im Bereich von 120 bis 130 Kilometern pro Stunde rhythmisch in ihren Sitzen hüpfen. Interessant dabei: Je schneller der Stonic fährt, umso kleiner ist dieses Problem.

Und schnell fahren kann er. Nicht nur auf der Autobahn, wo ihn sein 120 PS starker Turbobenziner souverän auf die Höchstgeschwindigkeit von 185 Stundenkilometern beschleunigt. Auf der Landstraße zeigt er eine hohe fahrdynamische Kompetenz, die einerseits von der direkten und mitteilsamen, aber keineswegs nervösen Lenkung rührt. Aber auch daher, dass sich die Karosserie in schnellen Kurven nur minimal neigt. Dieses Auto macht Spaß und geht damit charakterlich auf Distanz zu vielen anderen SUVs, die sich oft teigig anfühlen und den Fahrer dadurch von der Straße entkoppeln. Die haben dafür manchmal Allradantrieb, der Stonic überträgt seine Kraft stets über die Vorderräder. Ein Problem ist das allerdings nicht, traktionsstark ist er trotzdem.

Der getestete Topmotor, ein Dreizylinder mit einem Liter Hubraum, passt gut zum Stonic. Zwar ist er bei sehr niedrigen Drehzahlen lethargisch und wirkt sich jedes zugeladene Kilogramm negativ auf das Temperament aus, das mit vier Erwachsenen und deren Gepäck an Bord fast vollständig zum Erliegen kommt. Aber im Normalfall beschleunigt der Stonic 1.0 T-GDI ab 1500 Umdrehungen vehement und behält seine Motivation bis hinauf in den Bereich von 6000 Umdrehungen bei. Der typische Dreizylinderklang Marke "knurrender Hund" legt sich, sobald der Motor auf Temperatur kommt, und wird auf der Autobahn von Windgeräuschen überlagert. Dort schnellt jedoch der Spritverbrauch in die Höhe. Wer dem Dreizylinder-Turbo alles abverlangt, verdoppelt den Normverbrauch von fünf Litern locker. Überhaupt zeigt der Testverbrauch von 8,2 Litern auf 100 Kilometer einmal mehr, dass Hubraum-Minimierung bei der Testmessung auf dem Laborprüfstand hilft, nicht aber im alltäglichen Einsatz.

Je mehr Zeit man am Steuer des Stonic verbringt, umso klarer wird das Bild: Er ist ein Auto für aktive Fahrer. Das zeigt sich auch daran, dass es ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen erst im Sommer geben wird und die Zahl der Assistenzsysteme überschaubar ist. Das Angebot bislang: ein Notbremsassistent, der auch Fußgänger erkennt, ein Müdigkeitsdetektor und Querverkehrswarner sowie akustische Assistenten, die vor Fahrzeugen im toten Winkel und dem unabsichtlichen Verlassen der Fahrspur warnen. All das funktioniert tadellos, muss aber ausnahmslos extra bezahlt werden. Das ist auch deshalb kostspielig, weil Kia die Technik in Paketen bündelt, die sich wiederum nicht immer mit den niedrigen Ausstattungslinien kombinieren lassen.

Trotzdem ist der Kia Stonic ein günstiges Auto. Mit dem 120-PS-Motor kostet er mindestens 18 390 Euro und ist bereits als Basismodell ordentlich ausgestattet. Unter anderem mit elektrischen Fensterhebern vorne, Klimaanlage, MP3-Radio und Smartphone-Integration über Apple Carplay oder Android Auto, was das zwischen 690 und 890 Euro teure, fest installierte Navigationssystem überflüssig macht. Die meisten Konkurrenten, etwa der Renault Captur, Peugeot 2008 oder Ford Ecosport, sind in der Basis etwas teurer. Ausstattungsbereinigt schwankt die Reihenfolge allerdings. Wer den Kia mit Spirit-Ausstattung plus Technologie-Paket wählt, fährt für 22 780 Euro ein reichhaltig ausgestattetes, fahraktives und technisch fortschrittliches Auto. Mit dem harten Fahrwerk und dem durchschnittlichen Platzangebot muss man jedoch leben können. Und mit der Einsicht, altmodisch zu sein. Denn das Dach in Kontrastfarbe kostet weitere 300 bis 850 Euro extra.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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