Tourismus im All:Die Weltraum-Juristen

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Ein britisches Unternehmen will bald Touristen ins All schicken. Doch die Rechtslage hinkt den neuen Entwicklungen hinterher: Haftungsfragen und unklare Gesetze könnten die Pläne durchkreuzen.

Boris Hänssler

An der Technik wird es wohl nicht scheitern. Im Juli überflog das Raumschiff Space Ship Two - angekoppelt an ein Trägerflugzeug - die Mojave-Wüste in Kalifornien. Es war der erste bemannte Testflug des Unternehmens Virgin Galactic, das von 2011 an Touristen ins All befördern will. Die Firma sprach euphorisch von einem "Meilenstein".

Das Raumschiff Space Ship Two überquerte im Juli die Mojave Wüste - angekoppelt an das Trägerflugzeug White Knight Two. (Foto: Reuters)

Doch die Zukunft der privaten Raumfahrt entscheidet sich nicht daran, ob die Triebwerke ausreichend Leistung bringen und Ingenieure bei Testflügen vielversprechende Daten sammeln. Ob jemals Touristen ins All fliegen werden, liegt vielmehr in der Hand von Juristen. Denn die Rechtslage ist ungewiss, niemand weiß, wer im Weltraum für was und wen haften muss. Das betrifft nicht nur Unternehmen und Touristen - bei Unfällen zahlen womöglich auch Regierungen mit.

Im Moment herrscht noch Enthusiasmus in der privaten Raumfahrt. US-Präsident Barack Obama verpasste der Branche einen Schub, als er im Frühjahr ankündigte, das Nasa-Budget zu kürzen und private Anbieter zu stärken. Auch außerhalb der USA bringen Firmen ihre Raumfahrzeuge in Stellung. Schweden baut ein Startgelände für private Flüge in Kiruna. In Schottland ist ein ähnliches Projekt geplant, und in Spanien arbeitet das Unternehmen Galactic Suite an Entwürfen für ein Weltraumhotel.

Der Platzhirsch der Branche bleibt jedoch Virgin Galactic. Die Firma des britischen Unternehmers Richard Branson bietet bereits Tickets für ein dreitägiges Training und drei- bis vierstündige Raumflüge von New Mexico aus an. Bisher verkaufte die Firma 365 Karten für je 200.000 Dollar, die meisten in den USA und England sowie fünf in Deutschland.

Die Gesetzgebung der Staaten hinkt hinter dieser Entwicklung hinterher. Fast nichts ist geregelt. Es existieren nicht einmal Vorgaben für die Ausbildung privater Astronauten. Gerhard Thiele vom European Space Policy Institute in Wien kritisiert, dass seit Jahren nur diskutiert werde, es aber noch immer keine Lösungen gebe.

Ein 80-jähriger Ticketkäufer

Es existieren zum Beispiel keine Richtlinien für die technische Überwachung der Fluggeräte. "Wer so eine Reise bucht, ist sich bewusst, dass er Neuland betritt", beschwichtigt Christoph Berner vom Münchener Reiseanbieter Designreisen, der in Deutschland die Tickets für Virgin Galactic vertreibt. Die meisten Ticketkäufer seien Astrophysiker, Piloten, Hobbyflieger oder Weltraum-Enthusiasten und könnten das Risiko eines Raumfluges einschätzen - soweit das derzeit überhaupt möglich ist.

Die Gefahren einer Weltraumreise sind zumindest für den Gesetzgeber kaum zu fassen. Immerhin sind die gesundheitlichen Risiken eines reibungslosen Fluges gering. "Die Strahlenbelastung ist nicht höher als für Menschen, die auf einem hohen Berg leben", sagt der ehemalige Astronaut Thiele. Der Eintritt in die Schwerelosigkeit mag ungewohnt sein, die meisten Menschen sollten diese körperliche Belastung aber bewältigen. Allerdings ist unter den ersten Ticketkäufern ein über 80-Jähriger - gesundheitliche Probleme bei Reisenden sind nie ganz auszuschließen.

Die Ticketkäufer müssen nach einem Gesetz von New Mexico einen Vertrag unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie und ihre Angehörigen Virgin Galactic und die USA im Falle eines Unfalls, einer Krankheit oder des Todes nicht verklagen. Mit solchen Vereinbarungen schützen sich das Unternehmen und die Regierung vor unabsehbar hohen finanziellen Forderungen.

"Es ist aber fraglich, ob diese Verträge vor einem Gericht gültig sind", sagt Tanja Masson-Zwaan, Präsidentin des International Institute of Space Law. "Die Vereinbarung setzt voraus, dass Touristen über alle Gefahren aufgeklärt werden - wa mit dem gegenwärtigen Wissen nicht möglich ist."

Um alle Haftungsfragen zu klären, arbeitet das deutsche Wirtschaftsministerium an einem Weltraumgesetz, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Denn obwohl derzeit in Deutschland keine touristischen Reisen ins All geplant sind, heißt das nicht, dass die Bundesregierung von Haftungsfragen ausgeschlossen ist. "Nach gültigem Recht können nicht nur Startstaaten zur Verantwortung gezogen werden", sagt Stephan Hobe vom Institut für Luft- und Weltraumrecht der Universität Köln.

"Es kann ausreichend für Deutschlands Haftung sein, wenn eine deutsche Firma an einem Weltraumprojekt beteiligt ist." Der Staat hafte für die Versäumnisse von Privatfirmen im Weltraum. Die Regierung könne die Schadenssumme zwar zurückfordern, so Hobe, doch in diesem teuren Geschäft seien derart große Schäden möglich, dass bei betroffenen Firmen mitunter nichts mehr zu holen sei.

Dabei taucht eine weitere Frage auf: Wer rettet in Not geratene Weltraumtouristen? UN-Staaten müssen zwar verunglückten Astronauten jede mögliche Unterstützung anbieten, aber ob das auch für Touristen gilt, ist fraglich. "Im bestehenden Weltraumgesetz ist von Astronauten und Personal die Rede, aber nicht von Passagieren", sagt Mark Sundahl von der Universität Cleveland, ein Experte für kommerzielle Raumfahrtgesetzgebung. Man könne das Gesetz so auslegen, dass Länder nur die technische Crew retten müssten, nicht aber deren Gäste.

Die rechtlichen Hürden für den Weltraumtourismus sind hoch

Unklar ist auch die Gerichtsbarkeit: Wann greift nationales, wann internationales Recht? Wo enden die Landesgrenzen in solchen Höhen? Aber selbst wenn Weltraumtouristen diese Grenzen nicht verlassen, sind sie in den USA ein rechtlicher Sonderfall. Für das Außenministerium sind Weltraumtouristen ein Sicherheitsproblem, so Sundahl.

Weltraumtechnologie falle unter die US-Regelung des internationalen Waffenhandels (ITAR). Bei einem Flug mit einem amerikanischen Raumschiff hätten Touristen theoretisch Einblicke in diese Technologie, folglich müsste womöglich jeder ausländische Tourist und umgekehrt jeder Start eines US-Raumschiffs auf ausländischem Territorium vom Außenministerium abgesegnet werden.

Die rechtlichen Hürden für den privaten Weltraumtourismus sind also hoch. Der ehemalige Nasa-Astronaut Eugene Cernan erklärte kürzlich in einer Rede vor dem US-Senatsausschuss für Handel, Wissenschaft und Verkehr, dass es mindestens zehn Jahre brauche, bis der private Sektor kosteneffizient ins All fliegen könne. Er zweifelte, ob es überhaupt einen Markt gebe, der die Investitionen rechtfertige.

Dem widerspricht Ronald Heister, der Virgin-Verkaufsagent für die Beneluxländer sieht die Zukunft seiner Branche rosig - trotz der juristischen Schwierigkeiten. Heister hat deshalb einen Lobbyverband für die kommerzielle Raumfahrt gegründet, die International Association for Space Travel and Commerce. Er wird im September vorgestellt und soll die Rahmenbedingungen für ein blühendes All schaffen - wenn die Juristen mitspielen.

© SZ vom 26.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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