Sonderbares geschieht auf dem Wüstenplateau des dünn besiedelten Culberson County im Westen von Texas. In der abgelegenen Ecke der USA erhebt sich über kargem Land eine Bergkette mit dem Namen Sierra Diablo Mountain Range - kahl, schroff, abweisend.
Ein Uhrwerk für alle Zeiten? Mindestens 10.000 Jahre lang soll die Mechanik funktionieren, wünschen sich die Gründer der "Long Now Foundation. Das hier abgebildete erste Modell wird derzeit überarbeitet.
(Foto: Rolfe Horn)Ausgerechnet in dieser Gegend soll nun ein einzigartiges Monument errichtet werden. Es soll noch präsent sein, wenn die meisten der heute lebenden Menschen längst vergessen sind - in 10.000 Jahren. Mehr noch: Die ganze Zeit hindurch soll das Denkmal präzise und pausenlos ticken. Eine siebzig Meter hohe Uhr wird errichtet, mit einem gigantischen Pendel, tonnenschweren Gewichten, einem überdimensionalen Ziffernblatt und Zahnrädern mit zweieinhalb Metern Durchmesser. (mehr auf 10000yearclock.net)
Es geht dabei nicht nur um eine verrückte Idee. Der Ewigkeitschronometer wird bereits gebaut - mitten in den Berg hinein. Bauarbeiter am Fuße der Sierra Diablo Range treiben bereits einen Stollen in den Fels; er bildet künftig den Eingang zu dem Zeitmesser. Von dem darüber liegenden Grat aus wird demnächst eine automatische Steinsäge eine Wendeltreppe in das Gestein fräsen, die eines Tages Besucher um die Uhr herumführen soll, die dann das mechanische Wunderwerk Stufe für Stufe erkunden können.
Der steinige Boden, auf dem die Uhr entsteht, gehört Jeff Bezos, dem amerikanischen Milliardär und Gründer des Online-Kaufhauses Amazon. 42 Millionen Dollar - und wahrscheinlich mehr - stellt er für dieses Uhrmonument zur Verfügung, "bis es fertiggestellt ist", wie er sagt. Doch der kostspielige Einfall stammt nicht von ihm, der verdankt sich dem Erfinder Danny Hillis, derzeit Chef der Entwicklungsfirma "Applied Minds" in Los Angeles. Hillis baute in den 1980er-Jahren die ersten massiven Parallelrechner, damals die schnellsten Computer der Welt.
1995 veröffentlichte dieser Hillis im Magazin Wired einen Beitrag, in dem er beklagte, niemand sei in der Lage, über den Millenniumswechsel 2000 hinauszudenken. Stattdessen wünschte er sich, Menschen würden handeln wie Zimmerleute im mittelalterlichen Oxford. Als diese im Jahr 1386 die große Halle des New College errichteten, pflanzten sie gleichzeitig Eichen, deren Holz im 19. Jahrhundert dazu diente, eine neue Halle aufzubauen. Diesen Hain interpretierte Hillis als Dokument langfristigen Denkens. Und eine langsam über zehn Jahrtausende hinweg tickende Uhr könnte, so Hillis, eine ähnliche Denkweise in der Gegenwart fördern.
Ein poetischer Einfall, und ein Lob der Bedächtigkeit in schnelllebiger Zeit. 10.000 Jahre, das ist zudem nicht nur eine runde Zahl, es ist auch ein symbolisch bedeutender Zeitraum, denn vor so vielen Jahren begann der Mensch mit Ackerbau und Viehzucht, und er schuf seine ersten Tongefäße. Doch soll diese Phantasie tatsächlich in Form eines Monuments realisiert werden? Vom Beginn der Zivilisation steht heute kein Stein mehr auf dem anderen, selbst die ersten ägyptischen Stufenpyramiden wurden erst vor 5000 Jahren errichtet.