Serie: Mythen von Monstern (Teil 7):Der Teufel von Jersey

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Seit 260 Jahren erschreckt der Jersey Devil die Menschen zwischen Philadelphia und New York City. Leider wurde bis heute kein einziges Foto von ihm aufgenommen.

Markus C. Schulte von Drach

Für einen Teufel ist der Jersey Devil offenbar ein recht harmloser Bursche. Seit etwa zweieinhalb Jahrhunderten erschreckt er die Menschen in den Pine Barrens in New Jersey - doch verletzt hat er noch niemanden. Lediglich Haustiere sollen seine Opfer geworden sein.

So beschrieben Augenzeugen den Jersey Devil 1909. (Foto: Quelle: Philadelphia Evening Bulletin, January 1909)

Unheimlich ist dieses Wesen jedoch allemal, das bis heute immer wieder in den Wäldern der "Kiefernödnis" an der Atlantikküste im Osten Philadelphias gesehen wird.

Die Beschreibungen gehen - wie so häufig bei Monstern, denen man fast nur im Dunkeln begegnet - stark auseinander. Doch die meisten Augenzeugen berichten von einem Wesen, das eine Mischung aus verschiedenen Tieren oder sogar aus einem Tier und einem Menschen sein soll.

Der geflügelte, etwa 1,50 Meter große Teufel steht auf zwei schlanke Beinen, die in Hufen enden. Seine Arme sind kurz, der Hals sehr lang. Der Kopf soll an einen Hund oder ein Pferd erinnern und trägt manchmal Hörner. Das Wesen besitzt rot glühende Augen und ein langhaariges, dunkles Fell. Und eine ganz besonders hervorstechende Eigenschaft ist sein unheimlicher, hoher Schrei.

Für ein Monster lässt sich die Herkunft des Jersey Devil ungewöhnlich genau angeben - wenn die Geschichten sich auch in gewissen Details unterscheiden. So berichtet etwa die New Jersey Historical Society von einer Deborah Smith, die im 18. Jahrhundert in den Pine Barrens einen Mr. Leeds geheiratet und dreizehn Kinder bekommen hatte. Das letzte Kind verwandelte sich - je nach Sage aufgrund eines Fluchs oder eines bizarren Wunschs der Mutter - in einen Teufel. In einer anderen Version heißt die Frau Shrouds.

Und tatsächlich haben offenbar damals Familien mit diesen Namen in der Gegend gelebt und eine Menge Kinder in die Welt gesetzt. Nicht recht passen will dazu natürlich der Hinweis, dass auch die Indianer der Region, die Lenni Lenape (Delaware), die Ödnis als Popuessing bezeichnet hatten, was angeblich "Ort des Ungeheuers" heißt.

Prominente Augenzeugen

Ob der Teufel von Jersey aber nun von einer Frau geboren wurde oder bereits immer schon dort gelebt hat - seit dem 18. Jahrhundert tauchte er immer wieder auf. Einer der prominentesten Augenzeugen war angeblich der Navy-Offizier Stephen Decatur (von dem der Spruch "My Country, right or wrong" stammt). Decatur war Anfang des 19. Jahrhunderts in der Region, um Kriegsmaterial zu testen. Beim Test von Kanonen traf eine Kugel angeblich ein seltsames Wesen, das von dem Geschoss unbeeindruckt seines Weges flog.

Auch Joseph Bonaparte, der nach dem Sturz seines Bruders Napoleon in die USA auswanderte und eine Farm bei Bordentown, New Jersey, besaß, sichtete nach eigenem Bekunden den Teufel.

In den folgenden Jahren wurde das Monster hin und wieder gesehen und für den Tod von Haustieren verantwortlich gemacht. Für Schlagzeilen sorgte der Teufel dann vor genau 100 Jahren. Am 16. Januar 1909 flog das Wesen über die Stadt Woodbury. Am nächsten Tag wurde das Ungeheuer von etlichen Augenzeugen in der Gegend beobachtet. Und zwar nicht nur in New Jersey, sondern auch in Pennsylvania.

Die Zeitungen berichteten ausführlich, Teufelsjäger machten sich auf die Suche nach dem Unwesen. Die Feuerwehr von West Collingswood schoss sogar mit einem Wasserschlauch auf eines der Wesen. Darüber hinaus berichteten viele Menschen von seltsamen Spuren im Schnee, wie von Hufen, die jedoch über Zäune hinweg und sogar von Dach zu Dach führten. Und verstümmelte Haustiere wurden gefunden.

Bis zum 22. Januar herrschte in den Städten im Delaware Valley geradezu Panik, viele Geschäfte und Schulen blieben geschlossen. Schließlich lobte der Philadelphia Zoo ein Preisgeld vom 10.000 Dollar aus. Doch niemand konnte den Teufel fangen. Lediglich einige Spaßvögel bastelten aus Tierkadavern Monster zusammen - etwa ein Känguru mit Flügeln. Dann war der Spuk plötzlich wieder vorbei.

Geht der Mythos vom Jersey Devil auf den Kanadakranich zurück? (Foto: Foto: oh)

Die Zahl der Sichtungen nahm danach stark ab. Aber immer wieder zeigte sich der Teufel einzelnen Menschen - und das ist bis heute so geblieben. Wie die Internetseite der " Devil Hunters", der "Official Researchers of the Jersey Devil", berichten, fand die vorläufig letzte Sichtung im Oktober 2008 statt, als ein Augenzeuge am Nachmittag in den Wäldern auf ein geflügeltes Wesen stieß, das mit einem Schrei vom Boden abhob.

Vieles an den Berichten ist mysteriös und die Augenzeugen widersprechen sich zu sehr, als dass bislang eine befriedigende Erklärung für das Phänomen gefunden werden konnte. Manchmal trägt das Wesen nicht nur Flügel, sondern auch noch Arme. Mal besitzt es den Kopf eines Hundes, mal den eines Pferdes. Die Tiere variieren stark in der Größe.

Aber es gibt wiederkehrende Merkmale. Große Flüge, hohe, grausige Schreie, ein langer Hals, rote Augen, schlanke, lange Beine und lange Haare - vieles spricht dafür, dass es sich tatsächlich um einen Vogel handelt, dessen Gefieder den Augenzeugen als zotteliges Fell erschien.

Ein teuflischer Kranich?

Der wahrscheinlichste Kandidat für den Teufel ist der Kanadakranich, der früher in New Jersey heimisch war. Der graubraune Vogel wird bis zu 1,20 Meter groß, die Flügelspannweite kann mehr als zwei Meter betragen. Er hat einen langen Hals, einen Kopf mit weißen Wangen und roter Stirn und lange, schlanke Beine. Und: Der hohe Schrei des Vogels könnte sehr gut der Laut des Jersey Devils sein. Wer im Dunkeln diesem Tier begegnet, das auf Bedrohung durchaus aggressiv reagiert, kann schon einen großen Schrecken bekommen - und glauben, etwas ganz anderes gesehen zu haben.

Vielleicht tauchen vereinzelte Tiere ja noch heute in den etwa 4500 Quadratkilometer großen Pine Barrens auf. Die Erklärung ist jedenfalls realistischer als die, es handle sich beim Jersey Devil um einen überlebenden Vertreter der Flugsaurier, einen Pterodactylus.

Der Tod von Haustieren, der dem Teufel angelastet wird, lässt sich vermutlich mit dem Vorkommen von Raubtieren wie Kojoten, Füchsen, Luchsen und Dachsen in den Pine Barrens erklären.

Schwieriger zu deuten sind die angeblichen Hufspuren im Schnee, die offenbar von Wesen stammten, die sich von Zäunen und Häusern nicht aufhalten ließen. Doch es ist nicht immer einfach, zu erkennen, welches Tier sich auf welche Weise fortbewegt hat. Wer weiß schon, wie die Spur eines kleinen, hüpfenden Nagetieres aussieht, das auch kein Problem hätte, einen Zaun zu überwinden?

Angesichts der Tatsache, dass es keinen einzigen handfesten Beleg für ein bislang unbekanntes Wesen in den Pine Barrens gibt - nicht ein Foto wurde aufgenommen, kein Kadaver gefunden -, muss man wohl davon ausgehen, dass die Beobachtungen des Jersey Devil auf Begegnung mit bekannten Tieren wie dem Kanadakranich zurückgehen, die im Augenblick des Schrecks nicht erkannt wurden.

Und deshalb kann man getrost davon ausgehen, dass die Sichtungen des Teufels von Jersey weitergehen werden.

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