Schifffahrt:Warnung vor der Wellenwand

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Volle Fahrt voraus - direkt auf eine Monsterwelle zu. Das Bild enstand vermutlich 1940 vor der französischen Atlantikküste. (Foto: NOAA)

Haushohe Wellen versenken Schiffe und bedrohen Ölplattformen. Ein neues Radarsystem soll die Besatzungen rechtzeitig warnen.

Von Marlene Weiss

Es war eine senkrechte Wand aus Wasser, die sich vor dem Handelsschiff auftürmte. Dieses Bild entstand um 1940, aber es dauerte noch ein halbes Jahrhundert, bis die Existenz solcher "Monsterwellen" nach eindeutigen Messungen allgemein akzeptiert war; lange wurden sie als Seemannsgeschwätz abgetan. "Es sah aus, als würde das Schiff direkt in die weißen Klippen von Dover hineinfahren", berichtete der Kapitän der Queen Elizabeth 2 entsetzt nach einem Erlebnis im September 1995.

"Die Welle schien Ewigkeiten zu brauchen, aber wahrscheinlich dauerte es weniger als eine Minute, bis sie über dem Bug brach. Das ganze Schiff wurde erschüttert." Es folgte eine zweite Welle, knapp 30 Meter hoch, sie nahm ein Schiffshorn mit. Dann war der Spuk vorbei.

Nun ist die Queen Elizabeth 2 nicht gerade eine Nussschale, sie überstand den Aufprall der Wassermassen daher einigermaßen unbeschadet. Aber nicht immer geht es so gut aus. Immer wieder sinken Schiffe, weil sie von haushohen Wellen getroffen werden, die sich plötzlich weit über den üblichen Seegang hinaus erheben. Ende Dezember vergangenen Jahres starb ein Arbeiter auf einer Ölplattform in der Nordsee nach einer Riesenwelle.

Wissenschaftler vom MIT haben nun ein Alarmsystem entwickelt

Wie genau sich solche Wasserwände auftürmen, weiß man trotz intensiver Forschung nicht. Aber Wissenschaftler vom MIT in den USA haben nun ein Alarmsystem entwickelt, das Schiffern einige kostbare Minuten Zeit verschaffen könnte ( Journal of Fluid Mechanics).

Die Forscher Will Cousins und Themis Sapsis nutzen dafür die Tatsache, dass Monsterwellen fast immer aus Gruppen kleinerer Wellen entstehen, die gemeinsam durch den Ozean rollen. Statt die gesamte Wasseroberfläche um ein Schiff herum nach Anzeichen für Monsterwellen abzusuchen, was viel Rechenleistung erfordern würde, untersuchten sie statistisch, welcher Gruppentyp die größten Chancen hat, eine Riesenwelle zu produzieren.

Auf diese Kandidaten beschränkten sie dann die Analyse. In Simulationen konnten sie so 336 Extremwellen vorhersagen, ohne eine zu verpassen; allerdings gab es auch 91 Mal falschen Alarm. Um das System einzusetzen, müssten Schiffe das Meer mit Radar- und Laser-Messgeräten abtasten.

Monsterwellen leben nur ein oder zwei Minuten

Genau da sieht Norbert Hoffmann, der an der TU Hamburg-Harburg Wellen erforscht, jedoch den Haken. "Ich glaube, wir brauchen gar keine statistischen Verfahren, wir können das auch komplett berechnen. Das Problem ist nur, dass die Datenerfassung noch nicht funktioniert", sagt er. Denn jeder Wellenkamm wirft für das Radargerät einen Schatten, was dahinter ist, sieht man nicht.

Mit Drohnen hätte man bessere Sicht - aber mitten im Sturm? Dabei sind Monsterwellen gar nicht so selten; in Satellitenmessungen fand sich alle paar Tage eine. "Aber die Wellen leben nur eine Minute oder zwei, da ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein Schiff in der Nähe ist", sagt Hoffmann. Wehe der Schifffahrt, wenn es anders wäre.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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