Raumfahrt:Quanten-Kosmos

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Beginn eines neuen Zeitalters? Der Satellitenstart in Jiuquan. (Foto: Jin Liwang / Xinhua /action press)

China erforscht mit einem neuen Satelliten abhörsichere Kommunikation im All: Er soll verschränkte Lichtteilchen zur Erde schicken.

Von Alexander Stirn

Teilchen, die gleichzeitig hier und da sein können. Teilchen, die sich erst für einen Zustand entscheiden, wenn man hinschaut. Teilchen, die über Kilometer hinweg auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind: Die Welt der Quantenphysik ist schon auf der Erde bizarr. Nun soll sie auch das Weltall erobern. Chinesische Forscher haben am Dienstag vom Weltraumbahnhof Jiuquan aus den ersten Quantenkommunikations-Satelliten gestartet.

Erforscher der subatomaren Welt, die von winzigen Teilchen und seltsamen Regeln dominiert wird, finden immer mehr Gefallen am Weltraum. Sie wollen im All die Gesetze der Quantenphysik überprüfen und erste Quantendienste testen, zum Beispiel zur Übertragung von Daten. Chinas neuer Satellit, Micius genannt nach einem chinesischen Philosophen, soll sich genau daran versuchen.

Er nutzt ein Prinzip, das Physiker Verschränkung nennen: Zwei miteinander verschränkte Lichtteilchen sind eng verbunden. Wird der Zustand eines Teilchens verändert, ändert sich auch der Zustand des anderen Teilchens, selbst wenn dieses inzwischen weit entfernt ist. Mit solchen gekoppelten Photonenpaaren lassen sich zum Beispiel kryptografische Schlüssel sicher übertragen, weil jedes Abhören Spuren hinterlässt.

Bereits 2007 ist es österreichischen Physikern um Anton Zeilinger gelungen, den einen Partner eines solchen verschränkten Lichtquanten-Paars über eine Entfernung von 143 Kilometern von der kanarischen Insel La Palma nach Teneriffa zu schicken, während der andere auf La Palma zurückblieb. Größere Distanzen scheitern allerdings unter anderem an der Erdkrümmung. Genau hier soll die Satellitenmission ansetzen, wie ihr Leiter Pan Jian-Wei Anfang des Jahres in Nature berichtete. Pan hat einst bei Zeilinger promoviert, der mit Kollegen von der Uni Wien an dem Experiment beteiligt ist. Geplant ist demnach, an Bord des Satelliten verschränkte Quantenpaare zu erzeugen, jeweils eines der Lichtteilchen nach Peking zu schicken und zu messen, ob die Verschränkung erhalten geblieben ist.

Anschließend sollen Lichtteilchen über den Satelliten zwischen zwei 1200 Kilometer voneinander entfernten Bodenstationen in den chinesischen Provinzen Qinghai und Yunnan übertragen werden, später sollen auch Bodenstationen in Europa beteiligt werden. "Im Prinzip sollte die Verschränkung natürlich über jede Distanz funktionieren, aber wir wollen testen, wo die physikalischen Grenzen liegen", sagt Pan.

Bei kosmischen Distanzen und Geschwindigkeiten kommen zudem Effekte von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ins Spiel - die Theorie der Schwerkraft, die bislang unvereinbar mit der Welt der Quanten ist. "Satelliten eröffnen uns nun die Möglichkeit, mit zuvor undenkbaren Experimenten die Grenzen zwischen Quanten- und Relativitätstheorie zu ergründen", sagte die Quantenphysikerin Ivette Fuentes von der Uni Wien Ende Juli bei der Wissenschaftskonferenz Euroscience Open Forum (Esof) in Manchester.

Markus Krutzik, Physiker an der Berliner Humboldt-Universität, will in drei Monaten ein eigenes Quantenexperiment ins All schicken - allerdings nicht mit einem großen Satelliten: Eine ähnliche Mission wie China hat die Europäische Weltraumorganisation Esa vor zwei Jahren zugunsten eines Planetenspähers aufgegeben. Krutzik setzt daher auf eine Höhenforschungsrakete. Die ist im All auf einer Parabelbahn unterwegs und garantiert sechs Minuten Schwerelosigkeit. An Bord wird sich ein eiskaltes Quantengas befinden, das so empfindlich ist, dass es winzige Veränderungen der Schwerkraft erkennen kann - für Krutzik ein Prototyp künftiger Quantensensoren. Der Physiker will es allerdings nicht dabei belassen. "Ehrlich gesagt, habe ich genug von Höhenforschungsraketen", sagt der Physiker. "Für echte Ergebnisse brauchen wir Satelliten, um unsere Quanten zwei, drei oder vier Jahre am Stück zu vermessen."

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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