Raumfahrt:Perfekte Bruchlandung

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Am Mittwoch sollte erstmals ein europäisches Landemodul auf dem Mars aufsetzen. Der Versuch misslang, die Sonde "Schiaparelli" meldet sich nicht mehr. Die Esa stellt die Mission trotzdem als Erfolg dar.

Von Alexander Stirn

Europas Versuch, zum ersten Mal mit einer eigenen Raumsonde auf dem Mars zu landen, ist offenbar gescheitert. Etwa 50 Sekunden vor dem geplanten Aufsetzen am Mittwochnachmittag geriet das Landemodul außer Kontrolle, wie die Europäische Raumfahrtagentur Esa bestätigte. Seitdem hat sich das kleine Gerät Schiaparelli nicht mehr gemeldet. Alle Versuche, noch Kontakt aufzunehmen, blieben erfolglos. Der zweite Teil der Mission, eine Sonde zum Studium der Marsatmosphäre, ist hingegen in ihrer Umlaufbahn um den Roten Planeten angekommen.

Bei der Esa, die mit der Landung Geschichte schreiben wollte, hat nun die Fehlersuche begonnen. Von ihrem Ausgang wird abhängen, ob Europa in einigen Jahren sein nächstes großes Ziel erreichen kann - die Landung eines unbemannten Roboterfahrzeugs auf dem Mars. Doch es gibt noch ein weiteres Hindernis: Die Finanzierung des ambitionierten Projekts ist unsicherer denn je.

Beim Landeversuch, der wegen der großen Entfernung zum Mars vollautomatisch ablaufen musste, verlief zunächst offenbar alles nach Plan. Gegen Ende seiner fast 500 Millionen Kilometer langen Reise traf Schiaparelli am Mittwoch mit der sportlichen Geschwindigkeit von etwa 21 000 Kilometern pro Stunde auf die Mars-Atmosphäre. Der Hitzeschild absorbierte einen großen Teil der Energie und bremste die Sonde stark ab. Auch ein Fallschirm öffnete sich wie geplant.

Einige der Bremsraketen zündeten zwar, aber nur wenige Sekunden lang - viel zu kurz

Doch etwa 50 Sekunden vor der Landung, Schiaparelli muss noch mehr als 1,2 Kilometer von der Oberfläche entfernt gewesen sein, lief etwas gehörig schief. Möglicherweise, sagt Esa-Ingenieur Andrea Accomazzo, trennte sich der Fallschirm zu früh ab. Einige der Bremsraketen, die den finalen Abstieg zur Oberfläche steuern sollten, zündeten zwar, allerdings nur drei bis vier Sekunden lang - und nicht eine halbe Minute, wie zuvor berechnet. Weitere 19 Sekunden lang funkte die Landesonde noch Informationen. Was dann passierte, bleibt unklar. Schiaparelli ist verstummt.

"Das Wichtigste ist, dass alle Sensoren an Bord funktioniert und aussagekräftige Daten geliefert haben", sagt Accomazzo. Etwa 600 Megabyte seien zusammengekommen, die es nun auszuwerten gelte. Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen. "Ich habe allerdings keine Zweifel, dass wir am Ende genau erklären können, was passiert ist", sagt der Ingenieur.

Ohnehin sei Schiaparelli nur ein Test gewesen. Das gut 500 Kilogramm schwere Modul sollte zwar auch nach der Landung noch bis zu zehn Tage lang die Mars-Luft untersuchen, aber vor allem wollte die Esa Technologien erproben, um eines Tages ein unbemanntes Roboterfahrzeug im Marsstaub auszusetzen. Exomars heißt der Rover, der gemeinsam mit Russland entwickelt wird und im Jahr 2020 über den Roten Planeten rollen soll. Inwieweit ein missglückter Landeversuch dabei helfen soll, bei dem die Sonde in der entscheidenden Phase nicht einmal Daten lieferte, ließ die Esa am Donnerstag offen. "Ein Test kann gelingen, er kann schiefgehen, das Entscheidende aber ist, dass man dabei Daten sammelt", sagt Accomazzo. "Und das hat geklappt."

Für Esa-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner ist die Mission "ein großer Erfolg". Er sei zufrieden, sagt der Deutsche, "wir hatten viel Glück". Immerhin habe der zweite, auf lange Sicht wichtigere Teil der Mission problemlos geklappt: Schiaparellis Muttersonde, der Trace Gas Orbiter, schwenkte zeitgleich mit dem missglückten Landeversuch in eine Umlaufbahn um den Mars ein - eine Leistung, die der Esa zuvor erst einmal gelungen war. Von dort aus soll die Sonde in den kommenden Jahren die Mars-Atmosphäre analysieren und darin nach Spurengasen suchen. Im Mittelpunkt steht Methan, das Hinweise auf primitives Leben unter der Marsoberfläche liefern könnte.

Der Orbiter hat eine weitere Aufgabe: Er wird dringend für die geplante Rover-Mission im Jahr 2020 benötigt, für die er als Relaisstation zur Übermittlung von Daten in Richtung Erde dienen soll. Dass er zudem ein Landemodul beim Abstieg zur Marsoberfläche beobachten kann, hat er am Mittwoch eindrucksvoll bewiesen: So gut wie alle Informationen, die bislang über Schiaparellis unheilvolle Landung bekannt sind, stammen von der Raumsonde. "Der Trace Gas Orbiter ist der Eckstein unserer Exomars-Missionen, sowohl jetzt als auch im Jahr 2020", sagt Wörner.

Eigentlich soll schon 2020 ein Esa-Rover auf dem Mars landen. Aber die Finanzierung wackelt

Die demonstrative Freude des Esa-Chefs hat indes einen weiteren Grund: Noch immer ist die Finanzierung des Rovers nicht gesichert. Angeblich fehlen 330 Millionen Euro - ein Betrag, den Wörner am Donnerstag nicht bestätigen will. "Die Größenordnung allerdings stimmt", sagt er. Schon einmal musste die Landung, welche die Europäer gemeinsam mit Russland in Angriff nehmen wollen, wegen technischer und finanzieller Probleme um zwei Jahre auf 2020 verschoben werden - ins gleiche Jahr, in dem auch China und die USA einen Rover zum Mars schicken wollen. Derzeit sind dort bereits die Nasa-Rover Opportunity und Curiosity unterwegs.

Für Wörner geht es nun darum, den europäischen Raumfahrtministern, die im Dezember in Luzern über die Zukunft der Esa beraten wollen, zusätzliches Geld abzuringen. Eine erfolgreiche, weltweit bejubelte Landung Schiaparellis hätte dies einfacher gemacht. Der Esa-Chef, der am Mantra von der "erfolgreichen Mission" festhält, gibt sich dennoch zuversichtlich. "Ich glaube nicht, dass wir die Minister überzeugen müssen", sagt Wörner. "Die Ergebnisse sind offensichtlich."

So war die Landung eigentlich geplant: Die Bremsraketen sollten das Modul "Schiaparelli" sanft auf der Marsoberfläche aufkommen lassen. Das hat offenbar nicht geklappt. Illustration: Esa/ap (Foto: ESA ATG-medialab M.Thiebaut AP)
© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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