Um 11.35 Uhr am Freitag soll es so weit sein: Läuft alles nach Plan, startet die indische Raumfahrtagentur ISRO dann die Mondmission Chandrayaan-3 und die 43,5 Meter hohe LVM3-Trägerrakete hebt vom Raumflughafen Sriharikota an der indischen Ostküste ab. Ziel der Mission ist es, den Lander Vikram samt Fracht am Südpol des Mondes heil aufzusetzen.
Die Reise besteht aus drei Teilen: In elliptischen Bahnen umrundet das Raumschiff zunächst einige Male die Erde, dabei holt es Schwung. Im Anschluss bringt das Antriebsmodul den Lander in eine Umlaufbahn 100 Kilometer über der Mondoberfläche. Ende August soll Vikram schließlich kontrolliert aufsetzen. An Bord hat er den 26 Kilogramm schweren Rover Pragyan, der 14 Erdentage lang Messungen machen soll. Das Antriebsmodul verbleibt als Schaltstelle für die Kommunikation im Mondorbit. Vikram ist nach dem Gründer des indischen Raumfahrprogramms benannt, Chandrayaan bedeutet Mondschiff auf Hindi, Pragyan Weisheit.
An der sicheren Landung der Sonde ist die Vorgänger-Mission Chandrayaan-2 im September 2019 gescheitert. Kurz über der Mondoberfläche stürzte der Lander ab, seine Landedüsen ließen sich nicht regeln, sondern lediglich ein- oder ausschalten. Schließlich stellte der Bordcomputer stellte den Betrieb ein und der Lander krachte auf die Mondoberfläche.
Wie schwierig eine Mondlandung ist, zeigte sich auch im April, als eine japanische Fähre abstürzte. Das Steuersignal braucht vom Mond zur Erde und wieder zurück etwa 2,5 Sekunden. Zu lange für Notfälle. Außerdem hat der Mond keine Atmosphäre, die eine herannahende Sonde bremst. Fallschirme wie bei den Marslandungen hätten keine Wirkung. Deswegen muss Vikram aktiv bremsen, durch Schub in die entgegengesetzte Richtung.
Die Landesonde von Chandrayaan-3 wurde nach den Erfahrungen aus 2019 angepasst. Vor allem an der weichen Landung soll gearbeitet worden sein. Der neue Lander hat nun vier drosselbare Triebwerke, stabilere Beine und größere Solarpanele. So soll Vikram mit weniger als acht Kilometern pro Stunde aufsetzen.
Wenn das alles funktioniert und der Rover heil auf die Mondoberfläche rollt, wird es die ersten Messungen am lunaren Südpol geben. Die Daten hält der Planetengeologe Ulrich Köhler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Berlin für sehr wertvoll. "Das hat noch keiner gemacht, dieser Landeplatz ist etwas Besonderes." Die meisten Mondflüge sind bisher in der Äquatorebene gelandet. Zuletzt gelang es im Januar 2019 der chinesischen Chang'e 4-Mission, auf der Rückseite des Mondes aufzusetzen.
Am Südpol erwartet den Lander eine raue Topographie mit vielen Kratern. Doch das Landen auf schwierigem Terrain "sollte kein Showstopper sein", sagt Köhler. "Dass es möglich ist, haben die Chinesen bewiesen."
Der Rover Pragyan hat verschiedene Messinstrumente dabei, mit denen er die Mondoberfläche untersuchen soll. Daraus können Forschende Rückschlüsse auf die frühe Geschichte des Sonnensystems ziehen. "Der Mond ist ein Fenster in die Vergangenheit", sagt Ulrich Köhler. Weil der Erdtrabant keine Atmosphäre hat, konserviert der Mondstaub seit Anbeginn des Sonnensystems die Sonnenwindpartikel. Auf der Erde verschiebt hingegen auch noch die Plattentektonik Spuren der Frühzeit, wie zum Beispiel Krater. "Die ersten Jahrmillionen unseres Sonnensystems haben wir noch nicht genau verstanden", sagt Köhler. "Wie schnell haben sich die erdähnlichen Körper gebildet? Wie haben sie sich in den ersten 200 bis 300 Millionen Jahren entwickelt? Da gibt es noch viele offene Fragen."
Auch Mondbeben soll der Rover vermessen und damit Hinweise auf die Zusammensetzung des Mondes liefern. Möglicherweise ist der metallische Kern des Mondes teilweise geschmolzen. Am Südpol des Mondes gibt es außerdem Krater, in die nie ein Lichtstrahl dringt. Dort wurde schon 1998 Eis detektiert, jetzt könnten dort erstmals Proben untersucht werden.
Außerdem soll der Rover Pragyan herausfinden, ob der Südpol mineralogisch genauso beschaffen ist, wie die Hochflächen, die schon untersucht wurden. Dafür muss der neue Lander aber heil auf dem Mond ankommen. "Der Absturz 2019 war richtiges Pech", sagt Ulrich Köhler. "Indien will jetzt zeigen, dass es genauso gut ist wie China und der Westen."