Porträt eines Überallhindenkers:Carl Friedrich von Weizsäcker

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Physiker, Philosoph und Friedensforscher - einer breiten Öffentlichkeit wurde von Weizsäcker bekannt, als er 1957 die "Göttinger Erklärung" organisierte. Es war ein Protest von 18 renommierten deutschen Kernphysikern gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen.

Christian Weber

Als Carl Friedrich von Weizsäcker am 28. Juni 1912 in Kiel geboren wurde, war bereits klar, dass er kein normales Leben führen würde. Schließlich entstammte der hochbegabte und ehrgeizige spätere Physiker, Philosoph und Friedensforscher einer Familie, die über Generationen hinweg und in den unterschiedlichsten Regierungssystemen Spitzenbeamte stellte - in der Kaiserzeit ebenso wie in der Weimarer Republik, der NS-Diktatur und der Bundesrepublik. Er war der Sohn des später in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker, Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist sein Bruder.

Unter dem Einfluss von Werner Heisenberg studierte Weizsäcker von 1929 bis 1933 Physik statt wie ursprünglich geplant Philosophie. Bereits 1936 habilitierte er sich und trat eine Stelle am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin an, wo er sich mit Kernphysik beschäftigte. Zwar erreichte er nie die Bedeutung seines Mentors Heisenberg, aber ihm gelangen durchaus wichtige Entdeckungen, so erkannte er etwa, welche Prozesse im Inneren der Sterne Energie produzieren.

Anfang der 1940er Jahre arbeitete Weizsäcker unter anderem mit Heisenberg und Otto Hahn am sogenannten Uranprojekt, dessen Ziel der Bau einer deutschen Atombombe war. Es ist eine bis heute umstrittene Phase der Wissenschaftsgeschichte. So weiß man mittlerweile, dass Weizsäcker 1941 eine Bauanleitung für die Bombe zum Patent anmeldete. Seine Verstrickung in dieses Projekt erklärt, wieso er 1945 gemeinsam mit Forschern wie Hahn, Heisenberg und Max von Laue in Farm Hall in Südengland interniert wurde.

Nach dem Krieg wandte sich Weizsäcker der Philosophie zu. Ein Grund war seine Einsicht, so vermuten Wissenschaftshistoriker, dass er zu spät dran war oder nicht Genie genug, um noch wesentlich beizutragen zum Umbruch in der modernen Physik, der von der Quantenphysik und der Relativitätstheorie ausging. 1957 wurde er auf einen Lehrstuhl der Universität Hamburg berufen, wo er sich mit der wissenschaftstheoretischen Deutung der neuen Physik beschäftigte, aber auch mit umfassenden Fragen zur "Einheit der Natur"- so der Titel eines von ihm verfassten Buches.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Carl Friedrich von Weizsäcker als Organisator der "Göttinger Erklärung" von 1957 bekannt. In ihr protestierten 18 renommierte deutsche Kernphysiker gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß geplante Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen - und plädierten zugleich für den Ausbau der zivilen Nutzung der Kernkraft.

In den folgenden Jahrzehnten profilierte sich Weizsäcker als radikaler Pazifist und Friedensphilosoph, der von vielen Menschen geradezu verehrt wurde. Er forderte eine Weltinnenpolitik, der es gelingen müsse, "die Institution des Krieges zu überwinden", nur so könne die Menschheit die moderne Technik, sprich: die Atombombe, überleben. Gekrönt wurde dieses Wirken 1970 durch die Gründung des Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg, das Weizsäcker bis zu seiner Pensionierung 1980 gemeinsam mit dem Philosophen Jürgen Habermas leitete. Neben dieser Forschung widmete er sich zunehmend auch religiösen Fragen und östlicher Weisheit, wohl befördert durch ein spirituelles Erlebnis 1969 in einem indischen Ashram, in dem "alle Fragen beantwortet waren". Weizsäcker starb am 28. April 2007 in Söcking am Starnberger See.

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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