Physik:Cern-Physiker entdecken neuartiges Teilchen

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Im Teilchenbeschleuniger des CERN kollidieren Atomkerne und erzeugen Tausende neue Teilchen, die in alle Richtungen stieben. (Foto: Cern/dpa)

Die Wissenschaftler haben vermutlich Spuren eines bisher unbekannten Materiezustands entdeckt: ein sogenanntes Tetraquark.

Von Patrick Illinger

Das neuartige Teilchen ist extrem kurzlebig, und seine Masse ist rund sieben Mal so groß wie die eines Protons oder Neutrons, den üblichen Bestandteilen aller Atomkerne. Wichtiger als die Masse ist jedoch eine Besonderheit, die es in der Sprache der Teilchenphysik zu "Exotischer Materie" macht: Es besteht nach Ansicht der am Teilchendetektor LHCb des Europäischen Kernforschungszentrums Cern tätigen Physiker aus vier Quarks.

Protonen und Neutronen und somit alle sichtbare Materie des Universums bestehen aus drei Quarks. Daneben kennen Physiker aus Teilchenexperimenten auch Zwei-Quark-Zustände, sogenannte Mesonen. Quarks gelten zusammen mit ihren Antiteilchen, den Anti-Quarks, im derzeitigen Standardmodell der Teilchenphysik neben dem Elektron und seinen Verwandten als kleinste Bausteine aller Materie. Alleine sind sie jedoch nie anzutreffen, auch nicht in Experimenten.

Seit längerer Zeit spekulieren die Theoretiker unter den Physikern über mögliche Mehrquark-Zustände, also Partikel, die zum Beispiel aus vier Quarks zusammengesetzt sind - zwei Quarks und zwei Antiquarks. Ein erstes solches "Tetraquark"-Teilchen wurde vor wenigen Jahren ebenfalls am LHCb-Detektor aufgespürt. Es bestand aus zwei "Charm"-Quarks und zwei "Strange"-Quarks. Das nun entdeckte Teilchen soll den Physikern zufolge aus vier "Charm"-Quarks bestehen. Mit Charm (c) und Strange (s) bezeichnen Physiker die beiden Mittelgewichte der insgesamt sechs bekannten Quarks. Protonen und Neutronen bestehen aus den leichteren, den "Up"- und "Down"-Quarks. Am oberen Ende gibt es noch das "Bottom"- (b) und "Top"-Quark (t).

Nur Up- und Down-Quarks sind in der Natur als Bestandteile stabiler Materie anzutreffen. Die vier schwereren Vertreter der Quark-Familie lassen sich lediglich als Bestandteile instabiler kurzlebiger Teilchen in Hochenergie-Experimenten künstlich erzeugen. Genau das haben die Physiker am großen Protonen-Beschleuniger des Cern gemacht: Als sie Protonen mit extremer Energie aufeinander prallen ließen, um dann die Entstehung und den Zerfall bekannter Teilchen im Detail zu analysieren, zeigten die Daten, dass mitunter ein Materiezustand aus zwei Charm-Quarks und zwei Anti-Charm-Quarks entsteht, ein Tetraquark. Die Bezeichnung Quark entlehnte in den 1960er Jahren der Physiker Murray Gell-Mann übrigens einem Buch von James Joyce.

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