Nobelpreis für Physik:Atome in der Falle

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Mit dem diesjährigen Nobelpreis für Physik werden Forscher gewürdigt, die Lichtquanten und Atome eingefangen und vermessen haben. Das machte die Quantenphysik einsatzfähig für moderne Technik wie Atomuhren oder Arbeiten an Quantencomputern.

Christopher Schrader

Damit es so einfach wird wie im Lehrbuch, müssen Physiker ganz schön viel Aufwand treiben. Zwar gehören für viele Laien die Wörter "einfach" und "Physiker" nicht in denselben Satz, aber für die Naturwissenschaftler gibt es tatsächlich wenig, das fundamentaler wäre als die Begegnung eines einzelnen Atoms mit einem einzelnen Lichtteilchen, einem Photon. Die gesamte Quantenmechanik, auf der die moderne Technik bis hin zum Smartphone gründet, entstammt der Überlegung, wie diese beiden Objekte aufeinander reagieren und miteinander wechselwirken.

Die theoretische Erklärung dazu steht daher weit vorn in Lehrbüchern. Doch wie man sie mit Experimenten überprüft, wie man die Einflüsse der Außenwelt abschirmt, die elementaren Mitspieler einfängt, bremst und sanft festhält, das war lange völlig offen - bis sich David Wineland und Serge Haroche der Sache annahmen.

Weil sie all das schafften, bekommen der Amerikaner und der Franzose in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik, wie die königliche Akademie in Stockholm am Dienstag bekanntgab: für "bahnbrechende experimentelle Methoden, die es erlauben, einzelne Quantensysteme zu messen und zu manipulieren". Entscheidend dabei war für das Nobelkomitee, erklärt sein Mitglied Lars Brink, dass die beiden Physiker Versuche an den Atomen und Lichtteilchen machten, "ohne diese zu zerstören". Erst das erlaubt kreative Experimente und aussagekräftige Resultate.

Beide Preisträger sind 68 Jahre alt und haben mit ihrer jetzt ausgezeichneten Arbeit vor Jahrzehnten begonnen. Serge Haroche ist in Casablanca geboren, hat seine Karriere vor allem in Paris verbracht und arbeitet heute dort am College de France. David Wineland hat vor allem im amerikanischen Westen gearbeitet; heute ist sein Labor bei der amerikanischen Eichbehörde Nist (National Institute of Standards and Technology) in Boulder/Colorado.

Die Theorie stimmt bis ins Kleinste hinein

"Die beiden sind Pioniere für die Methoden, aus denen sich schließlich immer bessere Atomuhren und Ansätze für Quantencomputer ergeben haben", sagt Fritz Riehle von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, dem deutschen Pendant zum amerikanischen Nist. Er hat darum beide Kollegen schon in ihren Labors besucht. "Beide haben den Preis seit langem verdient, daran gibt es gar keinen Zweifel." Auch Wolfgang Sandner, Vizepräsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, lobt die Entscheidung des Stockholmer Komitees: "Beide haben ihr Berufsleben darauf verwendet, die Quantenmechanik auf Herz und Nieren zu prüfen. Und faszinierenderweise hat sich dabei gezeigt, dass die Theorie bis ins Kleinste hinein stimmt."

Um zu ergründen, wie einzelne Atome mit einzelnen Lichtteilchen wechselwirken, haben die beiden Preisträger komplementäre Methoden entwickelt. David Wineland isoliert zunächst geladene Atome in einer Falle, die aus elektrischen Feldern und Vakuum besteht. Mit gezielten Laserpulsen kühlt er die Ionen auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt. Dann kommen Laserstrahlen zum Einsatz, die das gefangene Atom, meist Beryllium, in einem quantenmechanischen Schwebezustand versetzen. Der Theorie zufolge können Teilchen gleichzeitig ruhig und angeregt sein, oder in der Sprache der Computer: gleichzeitig 0 und 1.

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