Naturphänomen im Death Valley:Wandernde Steine

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Wie von Geisterhand wandern kopfgroße Felsbrocken über die Racetrack Playa im Death Valley - Außerirdische sind wohl nicht für das Naturphänomen verantwortlich. (Foto: AP)

Heftige Stürme, Magneten oder doch Außerirdische? Seit Jahrzehnten sorgt ein Naturphänomen im kalifornischen Death Valley für Aufsehen: Immer wieder bewegen sich dort Steine wie durch Geisterhand. Jetzt haben Wissenschaftler das Rätsel gelöst.

Von Robert Gast

Tagsüber drückt die Hitze vom Himmel, nachts peitscht der Wind durch das zerklüftete Tal. Das Death Valley im Osten Kaliforniens ist eine Touristenattraktion, trotz oder gerade wegen der extremen Bedingungen. Die Besucher machen Fotos in der Badwater-Senke, dem tiefsten Punkt Nordamerikas. Oder sie kämpfen sich eine 30 Kilometer lange Staubpiste empor, an deren Ende die Racetrack Playa wartet: Ein ausgetrockneter See, auf dem es immer wieder zu einem mysteriösen Naturschauspiel kommt.

Schwere Steine legen dort wie durch Geisterhand Hunderte Meter zurück und hinterlassen Schleifspuren im Sand. Für Naturfotografen geben diese wandernden Felsen ein beliebtes Postkartenmotiv ab. Und Menschen auf der Suche nach Spiritualität kommen, um zu meditieren. Geologen hingegen verzweifeln seit fast 100 Jahren an der Frage, welche Naturkräfte die Steine wandern lassen.

Theorien gibt es viele. Werden die etliche Kilogramm schweren Klötze von besonders heftigen Stürmen durch den Sand geschoben? Spielt Magnetismus eine Rolle? Oder sind es Außerirdische, die uns etwas mitteilen wollen? Das Problem: Nie war jemand dabei, wenn die Steine sich bewegten. Lange ausharren will im Death Valley niemand, das Wetter dort ist oft garstig. Und Wissenschaftler dürfen erst seit einigen Jahren Messinstrumente in dem Nationalpark aufstellen.

Steine bewegen sich mit bis zu sechs Metern pro Minute

Zuletzt sah es auch noch so aus, als wäre der Spuk zum Erliegen gekommen, seit die Forscher auf der Lauer liegen. Der Klimawandel könnte daran schuld sein, dass die Steine ruhen, spekulierten Geologen. Doch dann haben sich die Felsen plötzlich doch wieder bewegt, im Januar 2014. Und diesmal waren kalifornische Geologen live dabei. Sie hatten 15 Steine mit GPS-Sendern präpariert und auf der Ebene verteilt, außerdem verfolgten Kameras die Wanderung. Die Beobachtungen hat das Team um Richard Norris nun im Journal PLOS One veröffentlicht.

Demnach lässt ein Wechselspiel aus Wasser, Eis und Wind die Steine wandern. Im Winter wird die auf 1100 Metern gelegene Racetrack Playa nämlich manchmal von Schmelzwasser bedeckt, das von Berggipfeln in der Nähe stammt. In kalten Wüstennächten gefriert es. Am darauffolgenden Morgen zerspringt der wenige Millimeter dicke Eispanzer, die resultierenden Schollen driften auf einem hauchdünnen Film aus Schmelzwasser. Und in einigen der Eisschollen stecken Steine fest. Bewegt der Wind nun eine dieser Schollen, ist die Kraft offenbar so stark, dass 15 Kilogramm schwere Felsbrocken mitgeschleift werden.

Bei drei Steinen konnten die Geologen diese Fortbewegungsart nachweisen, bis zu sechs Meter in der Minute haben die Steine zurückgelegt. "Das Rätsel ist nun gelöst, zumindest teilweise", kommentiert Gunther Kletetschka von der Karls-Universität in Prag. Ihn wundere allerdings, dass auch ein 500 Kilogramm schwerer Riesenstein immer wieder umherwandere. Dafür könnten die durch die Eisschollen ausgeübten Kräfte möglicherweise nicht groß genug sein. "Es bleibt also noch das ein oder andere Mysterium übrig", sagt Kletetschka. Für sinnsuchende Esoteriker und Alien-Freunde ist das beruhigend. Für Geologen heißt es: Weiter Steine beobachten.

© SZ vom 29.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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