Messflug der Forscher:Die Asche aus der Nähe betrachten

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Von ihren Daten hängt mit ab, wann der Luftraum über Deutschland wieder geöffnet wird: Wissenschaftler sind zu einem Messflug in die Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull gestartet.

Susanne Klaiber

Jeden Meter, den das weiße Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Flughafen Oberpfaffenhofen bei München Richtung Rollfeld zurücklegt, rückt eine dichte Reihe von Journalisten, Kameraleuten und Fotografen mit riesigen Objektiven nach. Jeder Schritt der Experten wird kommentiert und gefilmt. Erst als Ordner die Menge zurückhalten, lassen die Berichterstatter ab.

Aufbruch zum Messflug: DieFalcon 20Edes Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beim Start in Oberpfaffenhofen. (Foto: Foto: dpa)

"Wirklich nicht"

Das Gedränge ist ein Symbol für den Druck, dem die Experten ausgesetzt sind. Denn von den Daten, die sie auf ihrem mehr als dreistündigen Flug sammeln, hängt es unter anderem ab, wann die Flugsicherung den Flugraum über Deutschland wieder öffnet. Beim DLR ist man sich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durchaus bewusst, will sich aber nicht drängen lassen. Die Anfrage eines TV-Senders, schon vor 18 Uhr am Dienstag über die Auswertung der Daten zu berichten, wird mit einem herzhaften "wirklich nicht" abgelehnt.

Atmosphärenphysiker Hans Schlager muss eine Weile nachdenken, bis er sehr diplomatisch sagt: "Ich freue mich, wenn wir dazu beitragen können, dass es eine größere Datenbasis gibt."

Außerdem sei dieser Messflug schließlich nicht die einzige Datenquelle, nachdem auch schon Messungen vom Boden aus durchgeführt worden waren.

Um 16.08 Uhr lässt der Forschungsflieger, eine Falcon 20E, seine Verfolger zurück, und startet drei Minuten später in Richtung Leipzig. Von dort aus soll der Jet einen Bogen um Deutschland schlagen: über Hamburg, entlang der holländischen Grenze, über Frankfurt und Stuttgart. Dabei folgt die Maschine einem Höhenprofil zwischen 7000 und 10.000 Metern.

Umgerüstete Maschine

"Der Flug stellt kein Risiko dar", sagt Schlager. Die beiden Piloten hätten viel Erfahrung, außerdem würden sie nicht direkt in die Aschewolke fliegen, sondern sich von oben erstmal einen Überblick verschaffen. "Sie werden nicht in Zonen fliegen, wo die Asche-Konzentration so hoch ist, dass es gefährlich wird." Damit die drei Wissenschaftler an Bord die raren Daten sammeln können, haben sie die Maschine seit Freitag mit diversen Messgeräten bestückt.

Das Flugzeug mit den beiden am Heck montierten Triebwerken und dem markanten rot-weiß geringelten Mast an der Nase ist für diese Mission umgerüstet worden. 50 Mitarbeiter des DLR waren damit beschäftigt, erst am Montagmorgen hatte das Luftfahrtbundesamt die Maschine freigegeben. Die Prüfer begutachten die Falcon nach jedem Umbau, weil Messinstrumente teilweise durch Löcher im Rumpf ragen.

Oben aus der weißen Maschine lugen kurze Schläuche hervor, durch die die aschehaltige Luft eingesaugt wird, um sie zu analysieren. Unter den Flügeln hängen orangefarbene Sonden, die die Partikel in der vorbeiströmenden Luft zählen.

Laserstrahlen in die Luftschichten

Aus der Unterseite des Rumpfes schaut der Messkopf eines sogenannten Lidar-Geräts. Es schießt Laserstrahlen in die Luftschichten unter der Maschine und wertet die Reflektionen aus. "Daraus gewinnen wir Informationen über die Konzentration der Aschepartikel auf der Flugbahn", erklärt eine DLR-Mitarbeiterin.

Das französische Flugzeug, einst als Militärjet gebaut, ist seit 1976 in Betrieb und hat schon viele Forschungsflüge hinter sich, wie Schlager erzählt. Die Besatzung habe damit zum Beispiel im Jahr 2008 Waldbrände in Kanada beobachtet.

Auch nachdem das Forschungsflugzeug um 19.53 Uhr nach gut dreieinhalb Stunden Rundflug über Deutschland nach Oberpfaffenhofen zurückgekehrt ist, wollen sich die Forscher vom DLR nicht hetzen lassen von der Öffentlichkeit. Oder nur ein bisschen. Die Triebwerke dröhnen noch übers Flugfeld, als Ulrich Schumann, Direktor des DLR-Instituts für Atmosphärenforschung, die eilig heruntergelassen Leiter emporsteigt und sich mit Kollegen in die enge Maschine zwängt, um zu klären, was man denn sagen will.

Diese kleine Eile ist aber auch schon das ganze Zugeständnis. Was die Daten denn nun ergeben haben, wollen die DLR-Forscher erst nach einer nächtlichen Auswertung im Lauf des Dienstags bekanntgeben. Nur das Verkehrsministerium soll bis Mitternacht erste Erkenntnisse mitgeteilt bekommen.

Mit bloßem Auge zu sehen

Die Öffentlichkeit soll nur erfahren, dass die Messungen erfolgreich waren. Das Team habe verschiedene Höhen von zwei bis zwölf Kilometern durchflogen, sagt Schumann - also ein viel größeres Höhenprofil abgeflogen als angekündigt. "Wir haben die ganze Atmosphäre einmal traversiert."

Dabei sei das Team auch durch die Aschewolke geflogen, deren bräunliche Färbung sogar mit bloßem Auge zu sehen gewesen sei. Die Aschewolken seien sehr unterschiedlich strukturiert gewesen, was die Auswertung sehr komplex mache. Ob die DLR weitere Forschungsflüge startet, will Schumann morgen bis 14 Uhr klären, in Absprache mit dem Verkehrsministerium.

Die Maschine hat keinen sichtbaren Schaden genommen. Während Schumann spricht und versucht, möglichst wenig von dem zu sagen, was alle so brennend interessiert, trägt das Team die Datenträger von Bord. Grinsend, fast heimlich.

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