Musik ist ein Zaubermittel. Sie fördert angeblich die Milchleistung von Kühen und die Intelligenz von Babys im Mutterleib. Musik soll sogar den Sinn für Mathematik wie für logisches Denken schärfen. Die wissenschaftlichen Beweise für diese Behauptungen sind allerdings recht dünn. Belegt ist hingegen, dass Musik Patienten während Operationen und anderer Eingriffe beruhigen kann und ihre Angst abbaut. Wie ausgeprägt dieser Effekt ist, hängt jedoch offenbar davon ab, wer die Musik aussucht. Zu diesem Ergebnis kommen Kardiologen und Intensivmediziner um Wolfram Goertz von den Maria-Hilf-Kliniken in Mönchengladbach.
Im Fachblatt Clinical Research in Cardiology (Bd.100, S.395, 2011) berichten die Ärzte von 200 Patienten, bei denen die Herzkatheteruntersuchung von Musik begleitet wurde. 100 Patienten konnten selbst zwischen Klassik, Pop, Jazz und keiner Musik wählen. Bei weiteren 100 Patienten bestimmten die Ärzte, was aufgelegt wurde. Zwar sank bei allen Patienten die Angst stärker, wenn sie Musik hörten. Auch ihr Blutdruck und die Herzfrequenz waren geringer als bei jenen Teilnehmern, die gar keine Musik hörten. Überraschenderweise nahmen Angst und Unruhe der Patienten aber stärker ab, wenn die Ärzte die Musik festlegten. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei klassischer Musik und Jazz, obwohl jeweils etwa ein Drittel der Patienten angab, diese Musikrichtung gar nicht zu mögen.
Die Ärzte betonen, dass ruhige, aber nicht "traurige" Musik besonders beruhigend wirkt. Dass von Ärzten ausgewählte Melodien einen stärkeren Effekt zeigen, erklären die Wissenschaftler damit, dass Patienten in der Klinik gerne ihre gesamte Verantwortung abgeben. Auch müssen sie sich dann nicht fragen, ob dem Arzt die Wahl gefällt. Gesundheitsgefährdende Gefühlsaufwallungen bei Stücken, die Patienten emotional besonders stark berühren, sind ebenfalls unwahrscheinlicher, wenn der Arzt bestimmt, was im OP-Saal oder Katheterlabor gehört wird.