Medizin:Neuer Weg ins Leben

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Ein gesundes Mädchen, auf besondere Weise auf die Welt gekommen: Das Baby wuchs in einer transplantierten Gebärmutter heran. (Foto: AP)

Reproduktionsmediziner aus Brasilien berichten über die Geburt eines Mädchens, deren Mutter die Gebärmutter einer hirntoten Spenderin eingepflanzt worden war.

Von Astrid Viciano

Vor einem Jahr haben brasilianische Ärzte am Hospital das Clínicas der Universität São Paulo einen spektakulären Eingriff gewagt. Dass dieser ein Erfolg war, berichten sie erst jetzt. Am 15. Dezember 2017 hatten die Mediziner ein besonderes Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht: Das Mädchen war nicht in der eigenen Gebärmutter der Mutter herangewachsen. Der Uterus entstammte einer hirntoten Organspenderin. Mediziner hatten der jungen Frau das Körperteil eingepflanzt. "Die Kollegen haben gut gezeigt, dass die Methode funktioniert", sagt Matthias Beckmann, Leiter der Uni-Frauenklinik in Erlangen. Andere Mediziner waren bislang an dieser Herausforderung gescheitert.

Die Fortpflanzungsmedizin schreitet gerade schwindelerregend schnell voran. Längst werden Embryonen eingefroren, Eierstöcke verpflanzt, selbst an einer künstlichen Gebärmutter aus dem Labor wird gearbeitet. Vor fünf Jahren hatten schwedische Mediziner erstmals die Gebärmutter einer lebenden Spenderin einer Frau übertragen. Auch diese hatte ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Was seither elfmal mit einer Lebendspende gelang, schafften die brasilianischen Kollegen nun mit dem Organ einer toten Spenderin. "Der Aufwand ist zwar groß, doch steht uns so künftig eine viel größere Anzahl an möglichen Spendern zur Verfügung", berichten die brasilianischen Mediziner um Dani Ejzenberg im Fachblatt The Lancet. Auch fällt damit das - überschaubare - Risiko einer Organspende zu Lebzeiten komplett weg.

In manchen Ländern, darunter auch Brasilien, dürfen unfruchtbaren Frauen eine Leihmutterschaft als Alternative wählen. In Deutschland ist sie hingegen verboten. "Wir werden dazu gezwungen, den Weg der Transplantation zu gehen", sagt Beckmann, der demnächst einer unfruchtbaren Frau mithilfe einer gespendeten Gebärmutter zu einem Kind verhelfen will.

Die brasilianische Patientin hatte jahrelang vergeblich versucht, schwanger zu werden. Sie litt an einer Fehlbildung ihrer Geschlechtsorgane. Statt einer Gebärmutter fand sich bei ihr nur ein Gewebestrang

Nachdem die Ärzte die damals 32-Jährige für ihren Versuch ausgewählt hatten, erzeugten sie mit den Eizellen der Frau und den Spermien ihres Ehemanns künstlich befruchtete Embryonen. Acht winzige Exemplare wuchsen im Labor heran und wurden tiefgefroren. Das war im April 2016. Fünf Monate später war es soweit: Eine 45-jährige Frau hatte eine schwere Blutung erlitten, wurde für hirntot erklärt, und mit Einwilligung ihrer Angehörigen entnahmen Mediziner die Gebärmutter.

Acht Stunden lang war das Organ nicht mit Blut versorgt, mehr als doppelt so lang wie bei der Lebendspende. "Wir haben gezeigt, dass eine Gebärmutter so lange ohne großen Schaden überleben kann", sagt Ejzenberg. Mehr als zehn Stunden dauerte es, der jungen Frau das fremde Organ einzusetzen und alle großen und kleinen Blutgefäße des Spenderorgans mit jenen der Patientin zu verknüpfen. Wie bei anderen Transplantationen bekam die Frau Medikamente, die eine Abstoßung des fremden Organs verhindern sollten. Sieben Monate nach der Transplantation war die Patientin schwanger. Nach 35 Schwangerschaftswochen entschlossen sich die Mediziner zum Kaiserschnitt. Die Gebärmutter nahmen die Ärzte gleich mit heraus, wohl um der Patientin die Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems zu ersparen. Das geborene Mädchen war 2550 Gramm schwer, 45 Zentimeter groß, ein kerngesundes Kind.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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