Medizin:Die Nase als Frühwarnsystem

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Wenn im Alter der Geruchssinn nachlässt, könnte das auf bevorstehende Krankheiten hinweisen. In mehreren Studien finden Ärzte erhöhte Risiken bei Patienten, die ihren Geruchsinn verloren haben.

Von Astrid Viciano

Wie traurig, wenn der Duft von Frühlingsblumen unbemerkt vorbeizieht. Wie schade, wenn das feine Aroma frischen Spargels nicht mehr wahrgenommen wird. Doch der Verlust des Geruchssinns kann zumindest im hohen Alter mehr als nur lästig sein, berichten Forscher um den Epidemiologen Honglei Chen von der Michigan State University im Fachblatt Annals of Internal Medicine. Das Team beobachtete, dass Probanden mit eingeschränktem Geruchssinn ein im Schnitt um 46 Prozent erhöhtes Risiko tragen, in den folgenden zehn Jahren zu sterben - im Vergleich zu Gleichaltrigen mit gut funktionierender Nase.

Chen und Kollegen prüften den Geruchssinn von 2289 Probanden; diese waren zu Beginn der Studie zwischen 71 und 82 Jahren alt. Die Forscher beobachteten, dass bei einem Teil der Teilnehmer mit eingeschränktem Geruchssinn sogar ein um 62 Prozent erhöhtes Risiko bestand, in den folgenden zehn Jahren zu sterben - und das ausgerechnet bei jenen, die sich zu Beginn der Untersuchung einer besonders guten Gesundheit erfreuen durften. Eine Erklärung für dieses paradoxe Phänomen haben die Forscher nicht.

"Das Ausmaß ist überraschend", sagt die Neurologin Daniela Berg vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Zumal die Forscher den Unterschied durchweg bei Männern wie Frauen beobachteten, bei Afroamerikanern wie auch Amerikanern europäischer Herkunft.

Schon frühere Studien haben die Folgen einer Riechstörung im Alter untersucht. Ein um 36 Prozent erhöhtes Sterberisiko betagter Menschen mit eingeschränktem Geruchssinn hatten Wissenschaftler in einer Studie im Jahr 2010 ermittelt. Einer der Autoren der aktuellen Arbeit hatte den Zusammenhang zuvor über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht. In der aktuellen Studie beobachteten die Wissenschaftler ihre Probanden länger. "Daher können sie mehr über die langfristigen Folgen der Riechstörungen sagen, ebenso wie zu ihren möglichen Ursachen", sagt Antje Hähner, Ärztin und Wissenschaftlerin am Interdisziplinären Zentrum "Riechen und Schmecken" der Klinik für HNO-Heilkunde des Universitätsklinikums Dresden.

In einer eigenen Studie hatte die Medizinerin mit Kollegen bereits nachgewiesen, dass etwa zehn Prozent der Patienten mit unklaren Riechstörungen innerhalb von zehn Jahren an Parkinson erkranken. In der aktuellen Arbeit erklärten neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz 22 Prozent des höheren Sterberisikos von älteren Personen mit Riechstörung; in sechs Prozent der Fälle konnten die Forscher auch einen Gewichtsverlust als Ursache ausmachen. "In der vorliegenden Studie zeigt sich der Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen besonders deutlich", sagt Hähner.

Wie sich das erklären lässt? In den Riechstrukturen des Gehirns treten krankhafte Veränderungen auf, lange bevor die typischen Symptome von Demenz oder Parkinson als kognitive Störung auffallen. Daher bieten viele Kliniken bereits Riechtests zur Frühdiagnostik an.

Chen und Kollegen vermuten sogar, dass ein nachlassender Geruchssinn ein allgemeiner, früher Marker für eine Verschlechterung der Gesundheit von Senioren sein könnte. Umso wichtiger ist, die Funktion der Nase zu prüfen. Zumal viele der Betroffenen gar nicht merken, wenn sie den Duft des Frühlings nicht mehr wahrnehmen.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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