Medizin:BSE ist wieder da

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In Großbritannien gibt es einen neuen Patienten mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Vermutlich hat er sich in den 1980ern durch BSE-Rindfleisch angesteckt. Mediziner befürchten, dass eine weitere Krankheitswelle bevorsteht.

Von Kathrin Zinkant

Die Europäer müssen sich womöglich auf eine neue Welle von Erkrankungen durch die Erreger des Rinderwahnsinns BSE einstellen. Das legt eine Fallstudie nahe, die in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals New England Journal of Medicine erschienen ist. Ein Team um den britischen BSE-Experten John Collinge vom University College in London beschreibt darin einen 36-jährigen Mann, der aufgrund seines Autopsiebefundes eindeutig an der sogenannten "Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit", kurz vCJK, erkrankt ist.

Sie wird durch sogenannte Prionen auf Menschen übertragen, das sind falsch gefaltete Eiweißmoleküle. Gelangen diese fehlgeformten Prionen ins Gehirn, können sich die körpereigenen Prionen in einer Art Dominoeffekt falsch falten, was das Hirngewebe degenerieren lässt. Die Krankheit endet immer tödlich, eine Schutzimpfung oder Therapie gibt es nicht.

Der aktuell beschriebene Patient ist nach Aussage der Forscher der erste, der sich genetisch von allen anderen bekannten Fällen, bei denen Menschen von Rinderwahnsinn betroffen waren, unterscheidet. Dort, wo die anderen Patienten in ihrem Erbgut für das krankmachende Eiweiß zweimal die Aminosäure Methionin codieren, hatte der 36-jährige Mann einen Code für die Aminosäure Valin in seiner DNA. Diese winzige Änderung könnte dazu geführt haben, dass er sich zwar schon in den 1980er-Jahren mit den Erregern aus BSE-verseuchtem Fleisch infizierte. Der Ausbruch der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die lawinenartige Verformung des körpereigenen Prioneneiweißes, scheint bei diesem genetischen Typ aber verzögert abzulaufen. Diese Erbgut-Kombination ist weit verbreitet: Etwa jeder zweite Mensch trägt sie in sich. Für Experten ist der Fall deshalb ein Alarmsignal. "Es ist davon auszugehen, dass es weitere Fälle geben wird", sagt die Prionenforscherin Inga Zerr von der Universität Göttingen. Man habe immer befürchtet, dass auch Menschen mit dieser Erbgut-Kombination erkranken können. Jetzt, da sich diese Befürchtung bestätigt habe, seien sie eine Gefahr, die bislang noch gar nicht erkannt worden ist: "Das Risiko einer Erkrankungsübertragung von nicht diagnostizierten vCJK-Fällen über Blut, Organspende, chirurgische Instrumente kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden", sagt Zerr. In Deutschland wird chirurgisches Besteck seit der BSE-Krise zwar besonders gründlich gereinigt, um genau solche Übertragungen auszuschließen. Das ist aber nicht in allen europäischen Ländern der Fall. Und für Blut und Organe schlicht nicht möglich.

Der Patient hat sich vermutlich in den 1980er Jahren angesteckt. Erst jetzt wurde er krank

Heute unterscheiden Mediziner vier Formen des Rinderwahnsinns beim Menschen. Es gibt spontane Fälle, die unabhängig von einer Ansteckung in meist hohem Alter auftreten. Auch familiär bedingte Erkrankungen sind bekannt. Mit BSE und dem Konsum von belastetem Rindfleisch wird jedoch allein vCJK in Verbindung gebracht. In Großbritannien trat der erste Fall zehn Jahre nach dem Ausbruch der Seuche unter Rindern bei einem 18-Jährigen auf, insgesamt sind im Vereinigten Königreich bis heute 178 Fälle von vCJK registriert. Nach 2000 nahm die Zahl der Neuerkrankungen deutlich ab.

Viele Wissenschaftler vermuten, dass es bei diesen vergleichsweise niedrigen Zahlen nicht bleiben wird. Die Inkubationszeit von Prionenerkrankungen, also der Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch, ist lang, in der ersten Welle nach der BSE-Krise dauerte sie im Mittel 15 Jahre. Im aktuellen Fall hat sie womöglich 30 Jahre betragen. Da die genetische Konstellation des Patienten recht häufig ist, wäre eine Welle von neuen vCJK-Fällen in Europa durchaus denkbar.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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