Maul- und Klauenseuche in England:Das entwichene Virus

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Schock auf der Insel: Im englischen Surrey ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Möglicherweise stammt der Erreger aus einem Labor einer US-Firma, die in der Nähe der betroffenen Farm Impfstoffe an Tieren testet.

Elmar Jung

So einen Menschenauflauf sind sie nicht gewohnt in Pirbright. Normalerweise zieht es an Wochenenden nur einige Ausflügler in den südlich von London gelegenen Ort. Seit 1780 wird hier Cricket gespielt, was besonders Traditionalisten mit gut gefülltem Geldbeutel als sicheres Indiz für einen standesgemäßen Trip ins Grüne werten.

Seitdem aber am Freitagabend auf einem Hof nahe des Ortes etwa 60 Fälle von Maul- und Klauenseuche aufgetreten sind, ist alles anders. Flanierende Familien sind Scharen von Biologen und Veterinärmedizinern mit besorgten Mienen gewichen. Die Experten treibt nur eine Frage um: Wie konnte das Virus von dem sechs Kilometer entfernten tiermedizinischen Labor auf Tiere landwirtschaftlicher Haltung überspringen? "Wir müssen sehr schnell sein", sagt Hugh Pennington, einer der führenden Mikrobiologen Großbritanniens.

Erste Spuren gibt es bereits. Am Samstag hatten Experten entdeckt, dass es sich bei dem Erregerstamm um Viren handelt, die in Forschungslabors für die Herstellung von Impfstoffen verwendet werden. Das lege den Verdacht nahe, dass das Labor der Herd der Infektion sei, teilte das britische Umweltministerium am Wochenende mit.

Das klingt nach einem so genannten Outbreak-Szenario: Der Erreger könnte aus dem Institut für Tiergesundheit in Pirbright entwichen sein, das unweit der betroffenen Farm seit vielen Jahren Forschungen zur Maul- und Klauenseuche betreibt. Die Einrichtung gilt als mustergültig, hat den Status eines europäischen Referenzlabors und steht im Kontakt mit Forschungsstätten anderer Länder. Von Merial Animal Health, so der Name der US-Firma, ist bekannt, dass sie ihre Impfstoffe an Tieren testet, die auf dem Laborgelände weiden.

Böse Erinnerungen

Wissenschaftler vermuten, dass der Wind, landwirtschaftliche Geräte oder Menschen das Virus in die benachbarten Felder getragen haben könnten. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden. Die Produktion von Impfstoffen wurde trotzdem bis auf Weiteres eingestellt. "Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass sich die Seuche ausbreitet", sagte Debby Reynolds, Chefveterinärin der Regierung.

Böse Erinnerungen werden wach. Vor sechs Jahren, als die Maul- und Klauenseuche ganz Großbritannien und halb Europa im Griff hatte und knapp zehn Millionen Tiere gekeult werden mussten, stapelten sich in ländlichen Regionen die Tierkadaver, die Luft war geschwängert vom beißenden Geruch verbrannten Fleisches.

Die Einbußen für die britische Wirtschaft wurden damals auf knapp zwölf Milliarden Euro beziffert. "Ich kann nicht glauben, dass so etwas schon wieder passiert", sagte Sally Robinson, die einen Bauernhof in der benachbarten Grafschaft Wiltshire betreibt, der BBC.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie schnell die britischen Behörden auf den Ausbruch reagiert haben.

So weit ist es aber noch nicht. Sollte sich die Outbreak-Theorie bewahrheiten, sind Wissenschaftler zuversichtlich, dass es sich um einen örtlich begrenzten Ausbruch der Seuche handeln könnte. Zudem sei davon auszugehen, dass das entdeckte Virus eine eher harmlose Variante des Maul-und-Klauenseuche-Erregers sei, da er zur Herstellung von Impfstoffen verwendet wurde.

Die britische Regierung hat dennoch im Umkreis von zehn Kilometern um den betroffenen Hof eine Quarantäne verhängt. Dutzende Tiermediziner sind derzeit damit beschäftigt, Arbeitsgeräte und Fahrzeuge zu desinfizieren und Tiere von benachbarten Bauernhöfen zu untersuchen. Bislang sind keine weiteren Fälle aufgetreten, dennoch werden wohl Hunderte Schafe, Rinder und Schweine geschlachtet werden müssen. Zusätzlich hat die britische Regierung am Samstag Exporte von Rind-, Schaf- und Schweinefleisch gestoppt und alle Tierschauen verboten.

Im Umkreis von zehn Kilometern um den betroffenen Hof haben die britschen Behörden eine Quarantäne verhängt. (Foto: Foto: Reuters)

Bäuerin Jane Howard findet, dass die Behörden im Vergleich zu 2001 wesentlich flinker reagieren. Eigentlich hätte am Sonntag in der Nähe von Pirbright ein große Tierschau stattfinden sollen. "Wäre die Maul- und Klauenseuche nur 24 Stunden später aufgetaucht, wären jetzt 500 Kühe aus dem ganzen Land hier. Insofern haben wir Glück.

© SZ vom 6.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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