Klima:Weltwetterorganisation: 2023 wärmstes Jahr seit Industrialisierung

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"Wir müssen jetzt handeln, um die Risiken eines zunehmend unwirtlichen Klimas in diesem und den kommenden Jahrhunderten zu begrenzen", sagt der Chef der Weltwetterorganisation, Petteri Taalas. (Foto: Hassan Ammar/dpa)

Die Temperatur habe bis Oktober 1,4 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 gelegen, berichten die Klimaexperten. Der Vorsitzende spricht von einer "ohrenbetäubenden Kakofonie gebrochener Rekorde".

2023 wird auch nach Einschätzung von Klimaexperten der Vereinten Nationen (UN) wohl das wärmste Jahr seit der Industrialisierung. Das berichtet die Weltwetterorganisation (WMO) in ihrem vorläufigen Bericht über den Zustand des Weltklimas zum Auftakt der Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai. Der Abstand zu den vorher heißesten Jahren 2016 und 2020 sei schon bis Ende Oktober so groß gewesen, dass November und Dezember daran praktisch nichts mehr ändern könnten. Der definitive Bericht kommt erst im ersten Halbjahr 2024 heraus.

Bis einschließlich Oktober habe die global gemittelte Temperatur 1,4 Grad Celsius über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 gelegen. Bislang gilt 2016 als heißestes Jahr mit plus 1,3 Grad über vorindustriellem Niveau. 2020 lag knapp dahinter.

Im Juli, August, September und Oktober des laufenden Jahres erreichten die Temperaturen im weltweiten Durchschnitt jeweils einen Monatsrekord. Besonders zu Buche schlug, dass seit April auch die Meeresoberflächentemperatur im weltweiten Durchschnitt für jeden Monat Höchstwerte verzeichnete.

Experten der US-Wetterbehörde NOAA und des EU-Klimawandeldienstes Copernicus hatten bereits mehrfach davon gesprochen, dass 2023 mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr wird.

WMO-Chef Petteri Taalas sprach von einer "ohrenbetäubenden Kakofonie gebrochener Rekorde". Er sagte: "Wir müssen jetzt handeln, um die Risiken eines zunehmend unwirtlichen Klimas in diesem und den kommenden Jahrhunderten zu begrenzen."

Klimaexperten hoffen, dass die mehr als 190 Staaten in Dubai Maßnahmen für eine schnellere Transformation der Wirtschaft hin zu klimaneutralem Wachstum beschließen. UN-Generalsekretär António Guterres rief sie in einer Videobotschaft zu drastischen Schritten auf, um das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, einzuhalten. "Es gibt noch Hoffnung", sagte er.

Die Lage in Deutschland

In Deutschland war der Sommer 2023 zwar für viele Menschen gefühlt eher durchmischt, aber unbeständiges Wetter und Regen hierzulande ändern nichts daran, dass es viel zu warm war. Es steht praktisch fest, dass 2023 gemessen an der global gemittelten Temperatur das heißeste Jahr seit Beginn der Industrialisierung (1850-1900) war. Möglicherweise sogar seit Zehntausenden Jahren. Natürlich gab es da noch keine Messungen, aber die Wissenschaft kann mit der Analyse uralter Luftblasen tief im Eis auf das Klima in grauer Vorzeit schließen.

"Eigentlich sind wir in Europa seit dem heißen Sommer 2018 gefühlt im Ausnahmezustand", sagt Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, der Deutschen Presse-Agentur. Er nennt unter anderem mehrere ungewöhnlich trockene und zu warme Sommer und den Starkregen im Ahrtal. "Aber wir müssen damit rechnen, dass wir im neuen Normal sind." Für ihn ist klar, dass der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung für die Menschheit ist.

Die Durchschnittstemperatur in Deutschland lag nach Daten des Deutschen Wetterdienstes 2018, 2019, 2020 und 2022 schon mehr als 2,5 Grad Celsius über dem Niveau von 1881, als systematische Wetteraufzeichnungen begannen. Das ist deutlich mehr als im weltweiten Durchschnitt. Das liegt daran, dass der globale Wert die Temperaturen über den Meeresflächen einschließt, die bislang weniger stark gestiegen sind als über Land. Global war das wärmste Jahr bislang 2016, mit plus 1,3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau (1850-1900).

"Regional betrachtet kommen wir in Mitteleuropa vergleichsweise glimpflich beim Klimawandel weg", sagt Gößling. Im Mittelmeerraum sei die Lage schon brenzliger mit Hitze und Trockenheit. "Man darf sich die Situation bei uns nicht schönreden", warnt Gößling.

Selbst wenn die Treibhausgasemissionen jetzt rasch sinken würden, müsste sich die Menschheit auf Jahrzehnte mit Extremereignissen einstellen. "Der negative Trend wird sich bis in die 2060er-Jahre fortsetzen", sagt Petteri Taalas. Das liegt an den bereits ausgestoßenen Treibhausgasen, die noch so lange in der Atmosphäre wirken. "Und bei den Berggletschern haben wir den Kampf schon verloren", sagt er. "Wir erwarten, dass sie bis Ende des Jahrhunderts völlig geschmolzen sind." Der schädliche Treibhausgasausstoß müsse aber jetzt dringend so gedrosselt werden, damit die heutigen Kinder und ihre Nachkommen ab den 2060er-Jahren ein besseres Klima erleben.

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Das Ende der klimaschädlichen fossilen Energie - aus Kohle, Öl, Gas - ist der größte Hebel gegen den Klimawandel. Unterschätzt werde aber der große andere Hebel, der Umgang mit Landflächen, sagt Gößling. "Es ist ja krass, dass 75 Prozent der Agrarflächen der Welt entweder als Weidefläche oder um Futterpflanzen für Tiere anzubauen genutzt werden." Mehr pflanzenbasierte Nahrung brauche weniger Fläche für die gleiche Menge Proteine und Kalorien. Wald kann mehr CO₂ aufnehmen als Weiden. "Zurück zu mehr naturbelassenen Flächen hätte neben einer deutlich besseren Klimabilanz auch den extrem wichtigen Effekt, dass es entscheidend gegen den Verlust der Artenvielfalt hilft."

Wenn die Länder sich in Dubai wie erhofft deutlich stärkere Klimaschutzmaßnahmen auferlegen, sieht Taalas in den 2030er-Jahren im günstigsten Fall eine andere Welt: "Dann nutzen wir keine Kohle mehr als Energiequelle, die Mehrheit der Autos weltweit fährt elektrisch, wir nutzen mehr öffentliche Verkehrsmittel, wir essen weniger Fleisch und Reis, der große Methan-Emissionen verursacht, wir stoppen die Abholzung der tropischen Regenwälder und beschleunigen den Technologietransfer, mit dem aufstrebende Länder klimaneutral wachsen können."

Ob der nächste Sommer in Deutschland heiß oder trocken wird, kann jetzt noch niemand voraussagen. Global könnte es aber noch wärmer werden als in diesem Jahr. "Ich schätze die Chancen auf 50:50", sagt Gößling. Das liegt am Wetterphänomen El Niño, das dieses Jahr begann. Es heizt alle paar Jahre den Pazifik auf und erhöht die globale Mitteltemperatur um rund 0,2 Grad. In der Regel schlägt sich das erst im Jahr nach dem Auftreten nieder, das wäre dann 2024.

Dieses Mal könnte es aber auch anders sein. 2023 gab es Zufallsschwankungen beim Wetter im Frühling, sagt Gößling. Schwache Passatwinde führten zu einer starken Erwärmung der Meeresoberfläche, vor allem im Nordatlantik, was die globale Durchschnittstemperatur erheblich nach oben drückte. "Die schwachen Passatwinde haben nicht zwangsläufig etwas mit dem Klimawandel zu tun", sagt er. Deshalb ist es nicht gesagt, dass der Atlantik 2024 wieder so warm wird wie 2023.

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