Katastrophen-Warnung:Tsunami an der Telefonleitung

Die Monster-Wellen sind nicht leicht vorherzusagen. Forscher schlagen ein Warnsystem vor, das zunächst einfach klingt.

Ute Kehse

Datenkabel im Meer könnten als Alarmanlage für Tsunamis dienen. Nach Berechnungen von Forschern um Manoj Nair von der University of Colorado induzierte der Tsunami vom 26. Dezember 2004 eine elektrische Spannung von einem halben Volt in den Seekabeln, die im Indischen Ozean verlaufen. Solche Werte könnten ohne großen Aufwand an den Landepunkten der Kabel gemessen werden, schreiben die Forscher (Earth, Planets and Space, Bd. 61, S. 1, 2010).

Tsunami 2004

Die erste Flutwelle des Tsunamis im Dezember 2004 im Süden Thailands: Die Wellen waren in Tiefseekabeln messbar.

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Meerwasser ist wegen des hohen Salzgehalts ein guter elektrischer Leiter. "Wenn sich das Wasser relativ zum Erdmagnetfeld bewegt, entsteht ein elektrisches Feld, das wiederum einen Strom in den Kabeln induziert", erklärt Nair das Prinzip. Je schneller das Wasser fließt, desto höher ist die Spannung. Die amerikanische Ozeanbehörde NOAA benutzt bereits seit Jahren ein Seekabel, um so die Stärke des Floridastroms zwischen Kuba und Florida zu messen.

Nair und seine Kollegen weisen nun erstmals nach, dass auch ein Tsunami ausreichend Wasser bewegt, um eine messbare Spannung zu erzeugen. Für die Messungen eignen sich nach ihren Angaben sowohl moderne Breitbandverbindungen, die neben einer Glasfaserleitung in der Regel auch eine Stromleitung enthalten, als auch Telefonkabel aus Kupfer.

Die Forscher räumen ein, dass ihr Konzept noch einige Haken hat. So lässt sich anhand eines einzelnen Kabels nicht sagen, wo ein Tsunami genau entstanden ist oder in welche Richtung er sich bewegt. Zudem können Magnetstürme in der Ionosphäre oder die Gezeiten ebenfalls elektrische Spannungen in den Kabeln erzeugen. Die Forscher arbeiten gerade daran, diese Störsignale von einem Tsunami-Signal zu unterscheiden. Wenn diese Probleme behoben sind, könnten die Seekabel Meeresbecken ohne Warnsystem kostengünstig überwachen und bestehende Warnsysteme ergänzen.

Tsunamis werden von starken Seebeben oder Unterwasser-Rutschungen ausgelöst. Auf dem offenen Ozean sind sie kaum zu erkennen, weil sie dort nur wenige Zentimeter hoch sind. Erst an den Küsten türmen sie sich zu meterhohen Wasserwalzen auf. Derzeitige Warnsysteme nutzen vor allem das weltweite Netz von Seismographen, um potentiell gefährliche Erdbeben zu identifizieren. Ob sich tatsächlich ein Tsunami einer Küste nähert, können jedoch nur Drucksensoren am Meeresboden oder Pegelmessgeräte vor der Küste feststellen. Nach Angaben der NOAA besteht das internationale Tsunami-Warnsystem derzeit erst aus 47 Drucksensoren.

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