Bahr über Organspenden:"Fragen klären und Ängste nehmen"

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SZ: Aber es ist doch eine freie Entscheidung, solange man "Ich weiß nicht" sagen darf. Zwingend ist nur die Auseinandersetzung. Was ist an der so schlimm?

Bahr: Ich möchte ja mehr Gelegenheiten zur Entscheidung bieten. Wir haben den Kampagnen-Etat aufgestockt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das Thema zu einem Schwerpunkt gemacht. Für mich bleibt die Frage: Was passiert, wenn ich sage: Ich möchte mich nicht erklären. Muss ich Strafe zahlen? Kriege ich keinen Ausweis?

SZ: Dann kann ich doch angeben, dass ich mich nicht erklären möchte.

Bahr: Auch "Ich weiß nicht" sagen zu müssen, ist ein Zwang. Und was heißt das? Heißt die Konsequenz ein Nein? Heißt das, dass die Familie entscheiden muss, die dann doch Ja sagt? Das führt in schwierige ethische Grenzbereiche.

SZ: Nun herrscht in Deutschland ein eklatanter Mangel an Spenderorganen: Auf eine Million Einwohner kommen nur 15,9 Spender. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation sagt, nötig wären 40 pro Million. Wie wollen Sie das schaffen?

Bahr: Regional ist das Spende-Aufkommen unterschiedlich. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel lag einmal weit zurück und hat etwa vor zwei Jahren kräftig aufgeholt, Hamburg erreicht fast Spenderaten wie in Österreich, wo es eine Widerspruchslösung gibt. Das liegt daran, dass in einigen Regionen und Kliniken viel Aufklärung stattfindet und Transplantations-Beauftragte die Organspende in den Kliniken effizient fördern. Wir wollen die Strukturen der Organspende verbessern. Deshalb werden wir mit unserem Gesetz in jeder Klinik einen Beauftragten einsetzen.

SZ: Was kann der bewirken?

Bahr: Wichtig ist, dass potentielle Spender identifiziert werden. Dass die Ärzte mit Angehörigen sprechen und fragen, ob ein Ausweis vorliegt. Der Beauftragte muss Ansprechpartner sein, Fragen klären und Ängste nehmen - die Themen Organspende und Hirntod sind mit großen Ängsten besetzt. Finanzielle Benachteiligungen, die Kliniken durch solche Strukturen entstehen, müssen übrigens auch ausgeglichen werden.

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