Gesundheit:Europas Krankenakte

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"Bekömmlich" gelte als gesundheitsbezogene Angabe, was nach EU-Recht für Alkoholprodukte nicht erlaubt sei. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die WHO zieht Bilanz: Der Gesundheitszustand der Europäer ist recht gut. Doch es gibt auch besorgniserregende Ausschläge ins Negative.

Von Berit Uhlmann

Hätte Europa eine Krankenakte, würde der Region ein passabler Allgemeinzustand bescheinigt. Bei den Einzelbefunden aber gäbe es besorgniserregende Ausschläge ins Negative. So etwa lässt sich der Bericht interpretieren, den die Europa-Sektion der Weltgesundheitsorganisation WHO gerade herausgegeben hat. Zu der Region gehören auch einige asiatische Länder. Positiv fällt auf, dass die Lebenserwartung steigt. In den vergangenen fünf Jahren gewann der durchschnittliche Europäer etwa ein Lebensjahr hinzu. Ein heute geborenes Kind kann nun damit rechnen, fast 78 Jahre alt zu werden. Doch zwischen den Ländern klafft eine gewaltige Lücke. Während die Lebenserwartung in Luxemburg, Frankreich, der Schweiz und Spanien bei 83 Jahren liegt, hinken Russland und Turkmenistan mit 71 Jahren weit hinterher.

Erfreulich ist auch, dass der vorzeitige Tod durch Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Krebs oder Diabetes seltener wird. Pro Jahr geht die Sterblichkeit in diesem Bereich um zwei Prozent zurück. Einen Grund zur Entwarnung sieht die WHO aber nicht. Denn die Region fällt zugleich durch einen Lebenswandel auf, der die Risiken für jene Krankheiten drastisch erhöht. So ist Europa die Raucherecke der Welt. Etwa 30 Prozent der Erwachsenen brauchen die Zigarette, in Griechenland sind es sogar 43 Prozent. Europa hat zugleich den weltweit höchsten Alkoholkonsum: 8,6 Liter reinen Alkohol trinkt jeder Einwohner pro Jahr, das entspricht nahezu einer Badewanne, gefüllt mit alkoholischen Getränken. Litauen, der Spitzenverbraucher, konsumiert fast das Doppelte.

Etwa 60 Prozent der Europäer sind zu dick, fast jeder Vierte sogar krankhaft übergewichtig

Während die Kurve beim Trinken langsam nach unten zeigt, geht es mit dem Gewicht ungebremst bergauf. Fast 60 Prozent der Europäer sind zu dick, beinahe jeder vierte leidet an krankhaftem Übergewicht. Diese Laxheit im Lebenswandel könnte "die großen Fortschritte bei der Lebenserwartung verlangsamen oder den Trend sogar umkehren", sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.

Doch wer nach Lösungen, nach Vorbildern sucht, bleibt eher ratlos zurück. Ein Klassenbester lässt sich in Sachen gesundem Lebensstil nicht ausmachen. Dänemark und die Schweiz beispielsweise haben verhältnismäßig wenige Raucher und Übergewichtige. Beim maßvollen Alkoholkonsum aber schneiden sie unterdurchschnittlich ab. Großbritannien, das bei der Nichtraucherquote weit vorn liegt, belegt einen der letzten Plätze beim Übergewicht. Fast zwei Drittel sind auf der Insel zu dick.

Deutschland liegt nahe am Durchschnitt: Beim Gewicht schneidet es etwas besser, beim Alkoholkonsum deutlich schlechter ab als der Durchschnittseuropäer. Sehr weit oben im Ranking liegt die Bundesrepublik dagegen bei den Gesundheitsausgaben: 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fließen in das Gesundheitssystem; der Durchschnitt liegt bei 8,2 Prozent. Trotz laxer Lebensweise ist die Lebenserwartung mit 81 Jahren überdurchschnittlich hoch.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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