Gentechnik:Uneingelöste Versprechen

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Die Grüne Gentechnik soll den Hunger der Welt besiegen. Bislang nutzt sie aber vor allem Agrarkonzernen, ihre Macht und Marktkontrolle zu erhalten.

Hanno Chasirius

Auf dem Dach der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf keimt eine Saat der Hoffnung. Unscheinbares Grün gedeiht dort in Gewächshäusern. Die Pflanzen der Flaveria-Gattung beherrschen einen biologischen Trick, um sogar unter widrigen Bedingungen viel Pflanzenmasse aufzubauen. Der Biologe Peter Westhoff will von ihnen lernen, wie sie das anstellen und er will dieses Talent auch der wichtigsten Nahrungspflanze der Welt beibringen, dem Reis. "Mit so einem Reis ließen sich die Ernteerträge steigern und gleichzeitig Wasser und Dünger sparen", sagt Westhoff. "Doch ohne Gentechnik wird es nicht klappen".

Dürren und Überschwemmungen werden in Zukunft zunehmen. Pflanzenzüchter sind daher auf der Suche nach Gewächsen, die trotz widriger Umweltbedingungen hohe Erträge liefern. (Foto: Foto: dpa)

Seit ihrer Geburt in den 1980er Jahren, als es erstmals gelang, fremdes Erbgut in Pflanzen einzuschleusen, wird die grüne Gentechnik von ihren Freunden als Wunderwerkzeug gefeiert. Mit Zusatzgenen aus Bakterien, Pilzen und Tieren ausgestattet, sollten genetisch optimierte Pflanzen gesünder und ertragreicher sein und auf einen Schlag die Ernährungsprobleme der Menschheit lösen.

Aber "bislang ist das ein leeres Versprechen", sagt der Theologe und Philosoph Franz-Theo Gottwald aus dem Vorstand der Schweisfurth-Stiftung, die sich der nachhaltigen Entwicklung der Ernährungswirtschaft verschrieben hat. "Wir sollten nicht darauf vertrauen, dass eine Technologie alle Probleme lösen kann."Bislang nutze die Gentechnik vor allem den internationalen Agrarkonzernen, um ihre Macht und Marktkontrolle zu erhalten, sagt der Professor für Ernährungspolitik von der City University in London, Tim Lang.

"Gentechnik macht nicht satt", befindet auch der Schweizer Agrarexperte Hans Herren, der im vergangenen Jahr mit 400 anderen Forschern den Bericht des Weltagrarrats IAASTD verfasste. Darin heißt es, dass die Gentechnik an ihre Grenzen gestoßen sei. Das größte Potential sieht Herren im Einklang mit den übrigen IAASTD-Experten auf den Äckern der über 500 Millionen Kleinbauern auf diesem Planeten, die ihre Erträge verdoppeln könnten. "Sie brauchen Zugang zu moderneren Sorten und eine bessere Ausbildung", sagt Herren. "Allein der Einsatz von Düngemitteln könnte die Produktivität dort viel mehr steigern, als es die Gentechnik vermag."

In 20 Ländern weltweit wachsen auf insgesamt mehr als 100 Millionen Hektar Pflanzen mit gentechnisch verändertem Erbgut. Agrarlobbyisten rechnen mit einer Verdoppelung der Fläche bis zum Jahr 2015. Der größte Teil entfällt auf Soja, Mais, Raps und Baumwolle, die mit Zusatzgenen resistent gegen Insekten-Schädlinge oder Unkrautvernichtungsmittel gemacht worden sind. Dass sie wirklich die Erträge der Landwirte steigern, wie die Hersteller der Gentech-Gewächse versprochen haben, ist unwahrscheinlich.

Die eingebaute Widerstandsfähigkeit gegen Pestizide und Insektenfraß kann jedoch dazu beitragen, dass die Bauern weniger Pestizide auf die Felder sprühen müssen. Das spart Arbeitszeit, Treibstoff für die Traktoren und somit bares Geld. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind strittig, eindeutige Beweise für negative Effekte einer zugelassenen Sorte mit Fremdgen gibt es bislang nicht.

Auch in Deutschland wuchs im vergangenen Jahr noch auf 3600 Hektar genetisch veränderter Mais der Sorte Mon810 als Viehfutter. Für die kommende Saison hat die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner (CSU) das Ruhen der Genehmigung für Mon810 angeordnet. Dieser deutsche Sonderweg trifft multinationale Saatgut-Konzerne kaum.

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"Ob die Deutschen mitmachen oder nicht, spielt keine Rolle", sagt Manfred Kern, Leiter Internationale Geschäftsbeziehungen der Bayer CropScience AG. Als "Luxusdiskussion" bezeichnet Westhoff den Streit, der in Europa um die Pflanzen geführt wird. "Niemand sagt, dass Gentechnik die allein heilbringende Lösung ist", sagt Bernd Müller-Röber vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie, "es ist aber glasklar, dass sie eine nützliche Methode ist."

Die Kritik beziehe sich immer nur auf ganz wenige Anwendungen, kritisiert der Molekularbiologe die Gegner. "Sie gehen nie auf die Möglichkeiten ein, an denen heute gearbeitet wird."

Herbizidtoleranz und Insektenresistenz markieren den Stand der Technik. Dazu müssen jeweils einzelne Gene übertragen werden, eine vergleichsweise einfache Aufgabe im Vergleich zu dem Vorhaben, eine Pflanze für Trockenheit oder Nährstoffmangel fit zu machen.

Die derzeit auf dem Markt erhältlichen transgenen Pflanzen hält auch Müller-Röber für unbefriedigend. In den Laboren stünden allerdings bereits Sorten, die Trockenheit besser ertragen. Er hält diese für vielversprechende Ansätze, um endlich die alten Versprechen der Gentechnik einzulösen. Nicht die Technik bereite die Probleme, sagt er, "sondern der Zweck zu dem sie eingesetzt wird." Dem pflichtet Herren bei: "Es gibt keine pauschale Antwort auf die Sicherheitsfrage."

Und auch ohne Gentechnik ist die Pflanzenzucht nicht immer harmlos. Erst im Januar meldete BASF, in Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Pflanzenzuchtunternehmen Cibus eine Rapssorte entwickelt zu haben, die auch ohne Einschleusung fremder Gene resistent ist gegen die Klasse der sogenannten Imidazolinon-Herbizide. Schon in wenigen Jahren will der deutsche Chemiekonzern entsprechendes Saatgut auf den Markt bringen, das gemäß der gängigen Definition als gentechnikfrei deklariert wäre.

Und dennoch könnte der Schaden für die Umwelt beträchtlich sein, wie eine australische Untersuchung gezeigt hat. Demnach verbleiben die Imidazolinon-Herbizide sehr lange im Boden, was einen Folgeanbau mit nicht resistenten Pflanzen erschwert.

Um die Pflanzenzucht voranzutreiben, werde man verschiedenen Ansätze kombinieren müssen, sagt Müller-Röber und Peter Westhoff pflichtet ihm mit Blick auf den Turboreis bei: "Mit Gentechnik allein werden wir das Ziel nicht erreichen." Um die Pflanzen auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten, müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, sagt auch Hans Herren.

Es wäre "fahrlässig" dabei auf die Chancen der Gentechnik zu verzichten, "die Forschung sollte weiter gehen". Allerdings gehöre sie in die öffentliche Hand. "Nahrung ist ein Menschenrecht" und dürfe deshalb nicht von Unternehmen monopolisiert werden.

"Theoretisch kann die Gentechnik von Nutzen sein, um die wichtigsten Nahrungspflanzen an den raschen Klimawandel anzupassen", sagt Tim Lang. "Ich bin gespannt, was eine demokratisch entwickelte und kontrollierte Gentechnik zu leisten vermag."

© SZ vom 21.04.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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