Gemischte Gefühle: Neid:Die einzige Todsünde, die keinen Spaß macht

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Für den Philosophen Arthur Schopenhauer war er eine "giftige Kröte", für Shakespeare ein "grünäugiges Monster" - Neid gilt als sozial inakzeptabel. Doch er kann auch Triebkraft für mehr Gerechtigkeit sein.

Britta Verlinden

Mit der Schippe des Nachbarkinds im Sandkasten geht es los. Dann kriegt die Schwester ein größeres Eis, der Mitschüler die besseren Noten. Die Kollegin hat den attraktiveren Mann, der Nachbar macht Urlaub auf den Seychellen.

Girl and boy with crisps and apple

Der Wert eines Apfels verblasst in den Augen eines Kindes, wenn das andere eine Tüte Chips hat. Und das Mädchen mit dem Kartoffel-Snack? Es genießt den Neid des Jungen offenbar.

(Foto: Getty Images)

Solche Erfahrungen machen wohl die meisten Menschen - doch zugeben würden es die wenigsten. "Wir können Schuldgefühle, Scham, falschen Stolz und sogar Momente der Gier eingestehen, ohne unser Ego zu verletzen", schrieb bereits 1972 der US-Anthropologe George Foster. Aber echter, missgünstiger Neid? "Es gibt einfach keine sozial akzeptierte Rechtfertigung dafür."

Dabei sind sich Wissenschaftler seiner Zunft mit Soziologen und Psychologen einig: Der Neid ist ein universelles Gefühl, das wohl so alt ist wie die Menschheit und bereits in der Bibel mit einer Strafandrohung versehen ist. Eigentlich seltsam, kommentiert der amerikanische Essayist Joseph Epstein, denn: "Der Neid ist die einzige Todsünde, die überhaupt keinen Spaß macht."

Neid ist nur unangenehm und schmerzhaft; eine Mischung aus Gefühlen von Minderwertigkeit, Feindseligkeit und Ressentiment. Neid verspürt, wer erkennt, dass ein anderer einen Vorzug besitzt, den er selbst gerne hätte - oder von dem er wünschte, der andere besäße ihn nicht. Psychologen der Yale University haben ermittelt, dass sich etwa 60 Prozent aller Gespräche unter Erwachsenen um nicht anwesende Personen drehen. Oft stecken dahinter Neidgefühle.

Doch wie sehr Neid auch das soziale Verhalten beeinflusst, beginnen Forscher gerade erst zu verstehen.

Die Wirtschaftswissenschaftler Daniel Zizzo und Andrew Oswald von der Universität Warwick etwa ließen in einem computersimulierten Glücksspiel vier Probanden anonym gegeneinander antreten. Jedem Teilnehmer stand zunächst ein geringer Geldbetrag als Wetteinsatz zur Verfügung. Während des Spiels erhielten zwei von ihnen zusätzliche Boni, was die anderen auf dem Computerbildschirm sehen konnten.

Bevor die Spieler am Ende ihre Gewinne einkassierten und nach Hause gingen, gaben die Forscher ihnen die Möglichkeit, den Auszahlungsbetrag der Gegner per Mausklick zu verringern. Dazu mussten sie allerdings einen Teil des eigenen Geldes abzwacken. Dennoch machten fast zwei Drittel aller Teilnehmer von der Option Gebrauch und vernichteten dabei die Hälfte der ausgeschütteten Gewinnsumme. Als Zizzo und Oswald ihre Ergebnisse 2001 veröffentlichten, schrieben sie: "Unsere Experimente messen die dunkle Seite der menschlichen Natur."

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