Gefährlicher Darmkeim:Zahl der Ehec-Ausbrüche steigt wieder deutlich an

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Die Hoffnung auf ein absehbares Ende der Ehec-Ausbrüche hat sich nicht erfüllt: Allein in Niedersachen und Hamburg ist die Zahl der Betroffenen innerhalb eines Tages um 180 gestiegen. Die Verwirrung um die Ehec-Gurken aus Spanien zeigt, wie schwierig die Suche nach der Infektionsquelle ist.

Die Zahl der Infektionen mit Ehec-Bakterien steigt weiterhin an - und zwar "deutlich", wie Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks erklärte. Dabei hatte es am Montag noch kurz so ausgesehen, als gebe es Hoffnung auf ein Ende des Ausbruchs. Doch offenbar waren nicht die Erkrankungen selbst zurückgegangen, sondern es hatte lediglich einen Verzug bei der Meldung der Fälle gegeben.

Eine Agar-Schale mit E.coli-Bakterien. Die Zahl der Ehec-Infektionen in Niedersachsen und Hamburg steigt wieder rapide an. (Foto: dpa)

Heute meldeten allein Niedersachsen und Hamburg etwa 180 Erkrankte und Verdachtsfälle mehr als am Vortag. So hatte die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz gestern noch 569 Fälle von Infizierten oder Verdachtsfälle gezählt. Bis heute ist die Zahl auf 668 Fälle gestiegen. In Niedersachsen lag die Zahl der bestätigten Erkrankungen und der Verdachtsfälle am Mittwoch bei 344, das sind 80 mehr als am Dienstag.

Die Zahl der Patienten, die sich bundesweit tatsächlich oder möglicherweise mit dem Erreger infiziert haben, ist damit auf mehr als 1500 gewachsen. Betroffen sind neben Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein inzwischen auch alle anderen Bundesländer.

So ist etwa in Bayern die Zahl der amtlich erfassten Ehec-Fälle seit gestern stark gestigen, um 22 auf jetzt 59 registrierte Erkrankungen. Nordrhein-Westfalen meldet inzwischen 200 Ehec-Patienten, davon leidet jeder vierte am lebensbedrohlichen hämolytisch-urämischen Syndrom, das bis zum Nierenversagen führen kann

Wie das Robert Koch-Institut meldet, ist bundesweit die Zahl der Menschen, die am HUS leiden, innerhalb eines Tages von 373 auf 470 registrierte Fälle gestiegen. 16 Menschen, darunter 14 Frauen, sind bereits an den schweren gesundheitlichen Komplikationen gestorben.

Auch im Ausland breitet sich der Keim weiter aus: In Tschechien gibt es einen ersten nachgewiesenen Ehec-Fall. Eine amerikanische Touristin sei definitiv an dem Erregertyp erkrankt, der für die Ausbrüche in Deutschland verantwortlich ist, teilte das nationale Referenzlabor in Prag mit. Die EU-Kommission nannte zudem folgende Ehec-Zahlen: Schweden 41 (davon 15 HUS), Dänemark 14 (davon sechs HUS), Frankreich sechs Ehec-Fälle, Großbritannien drei Fälle (davon zwei HUS), Niederlande sieben (davon drei HUS) und Österreich zwei Ehec-Fälle. In den meisten Fällen handele es sich um Menschen, die kurz zuvor in Deutschland gewesen seien.

Keine heiße Spur

Und noch immer gibt es offenbar keine heiße Spur, woher der Erreger stammen könnte. Ämter und Behörden haben etliche Mitarbeiter im Einsatz, die Hunderte von Patienten zu den Lebensmitteln befragen, die diese in den vergangenen Wochen verzehrt haben, Hunderte Lebensmittelproben analysieren, Lieferlisten auswerten und die Lieferwege von verdächtigen Produkten nachvollziehen.

Das einzige konkrete Ergebnis: Auf dem Hamburger Großmarkt wurden Gurken aus Andalusien entdeckt, die mit einem anderen Ehec-Bakterientyp verunreinigt waren als dem, der hinter dem gegenwärtigen Massenausbruch steckt. Das gleiche gilt für eine weitere Gurke, die in Hamburg entdeckt wurde, und deren Herkunft weiterhin unklar ist.

Für den Laien ist das äußerst verwirrend. Doch es lässt sich möglicherweise relativ leicht erklären: Bei mehr als 250 Patienten wurde der äußerst gefährliche Ehec-Typ HUSEC041, O104:H4 identifiziert und alles spricht dafür, dass auch die meisten übrigen Betroffenen sich mit ihm angesteckt haben.

Die spanischen Gurken könnten dagegen zu jenen mit Ehec verunreinigten Produkten gehören, die in Deutschland jedes Jahr bei durchschnittlich 1000 Menschen - insbesondere bei Kindern - zu Ehec-Infektionen führen, und bei einigen Betroffenen zum HUS.

Auch weitere Fährten, auf die die Ermittler sich konzentrierten, führen offenbar nicht weiter. So waren in Frankfurt am Main etliche Menschen erkrankt, die zwei Firmenkantinen besucht hatten. Doch im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Kassel sind die Lebensmitteltests aus den betroffenen Kantinen abgeschlossen - ohne Befund. Auch der Verdacht auf eine Ehec-Verunreinigung von Gurken in Mecklenburg-Vorpommern wurde von den Behörden nicht bestätigt.

Und so müssen die Fachleute weiterhin untersuchen, was an Proben ins Labor kommt. Zuerst wird nach Hinweisen auf ein Gift gesucht, das von den Ehec-Bakterien produziert wird. Bis zu einem ersten Ergebnis "positiv oder negativ" dauert es bis zu zwei Tage. Wenn das Gift tatsächlich nachgewiesen wird, dauert es weitere Tage, bis der Erreger-Stamm isoliert ist. Erst bei der danach folgenden genaueren Untersuchung kann der kürzlich vorgestellte Schnelltest helfen.

Doch trotz aller Bemühungen - es "besteht die Gefahr, dass es nicht zu ermitteln ist, wie die Patienten sich infiziert haben", sagte der Sprecher des hessischen Umweltministeriums, Thorsten Neels. Und die Warnung vor rohem Gemüse bleibt vermutlich noch eine Weile bestehen.

Immerhin deutet einiges darauf hin, dass man sich vor einer Infektion von Mensch zu Mensch relativ gut schützen kann, wenn man normale Hygieneregeln einhält, erläuterte Hamburgs Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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