Gefährlicher Darmkeim:Sprossen sollen Ehec-Erkrankungen auslösen

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Ein Betrieb aus dem niedersächsischen Uelzen ist wohl eine Quelle des Ehec-Bakteriums, an dem bislang 21 Menschen gestorben sind. Kontaminierte Sprossen sollen direkt oder über Zwischenhändler an Restaurants in Norddeutschland, aber auch in Hessen geliefert worden sein - womöglich wurde die lebensbedrohliche Ware bereits vollständig verarbeitet.

Pflanzensprossen könnten eine Ursache der schweren Ehec-Erkrankungen sein. Das gab Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) in Hannover bekannt. Bei epidemiologischen Auswertungen sei ein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und in Niedersachsen produzierten Sprossen festgestellt worden. Diese seien aus verschiedenen Saatgutmischungen hergestellt worden.

Pflanzenprossen sollen eine Quelle der Ehec-Erkrankungen sein (Foto: dapd)

Ein Gartenbaubetrieb in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen ist nach Angaben der niedersächsischen Behörden wohl eine Quelle für die Ehec-Darminfektionen. 18 Sprossenmischungen stehen unter Verdacht. Unter anderem handelt es sich um Bohnenkeimlinge, Brokkolisprossen, Erbsen- und Kichererbsensprossen, Knoblauchsprossen, Linsensprossen, Mungobohnenkeimlinge, Radieschen- und Rettichsprossen. Auch Sprossenmischungen wurden von dem Betrieb geliefert.

Lindemann sagte, eine Mitarbeiterin aus dem betroffenen Betrieb sei nachweislich an Ehec erkrankt. "Das ist für uns die plausibelste Erkrankungsursache", so der Minister. Den Angaben zufolge kamen die Erreger möglicherweise über Wasser in eine Trommel, die für das Aufkeimen von Saatgut verwendet wurde. Auch Ware aus dem Ausland könnte die Bakterien enthalten haben.

Die Sprossen seien direkt oder über Zwischenhändler an Restaurants in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Niedersachsen geliefert worden.

Der Betrieb, aus dem die möglicherweise mit Ehec-Erregern belasteten Sprossen kommen, ist vorerst gesperrt. Die Sprossen aus der Firma seien zurückgerufen worden.

Der Geschäftsführer des Betriebes ist nach Angaben von Niedersachsens Landwirtschaftsminister Lindemann kooperativ. Der Betreiber habe keinen Anwalt eingeschaltet, nachdem der Betrieb gesperrt worden sei.

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Ingrid Fuchs

Bislang ist der Ehec-Erreger in Sprossen allerdings noch nicht labortechnisch nachgewiesen. Ein Ergebnis werde für Montagvormittag erwartet, sagte Lindemann. "Die Indizienlage ist jedoch so eindeutig, dass das Ministerium empfiehlt, derzeit auf den Verzehr von Sprossen zu verzichten", hieß es.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Ehec-Bakterien, einer gefährlichen Variante des harmlosen Darmbewohners Escherichia coli. (Foto: dpa)

Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die mit dem Ehec-Erreger kontaminierte Ware bereits vollständig verarbeitet und abverkauft sei. Allerdings sind sich die Behörden nicht sicher, ob der Betrieb die alleinige Quelle für die Ehec-Infektionen ist.

Einige Sprossenmischungen, die als Ehec-Quelle im Verdacht stehen, kommen auch aus dem Ausland, so der Minister. Aus welchem Land genau Sprossenkeimlinge nach Niedersachsen importiert wurden, sagte er nicht.

Bei einem Besuch im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hatte RKI-Präsident Reinhard Burger am Nachmittag gesagt: "Es gibt einige heiße Spuren." Aber eine konkrete Ursache lasse sich noch nicht eingrenzen. Eine dieser Spuren ist ein Lübecker Restaurant, in dem sich offenbar mehrere Gästegruppen mit dem Darmbakterium angesteckt hatten. Nach wie vor wird vor dem Verzehr roher Tomaten, Salate oder Gurken gewarnt.

Burger sagte, die Arbeit gleiche einer Detektivarbeit. Untersucht würden Restaurants und Kantinen, dann würden die Lieferwege nachverfolgt. Es sei aber auch denkbar, dass die eigentliche Quelle der Ehec-Bakterien nicht mehr existiere. Nach seinen Angaben hat das RKI derzeit 1526 Ehec-Kranke registriert und 627 Patienten, die mit der Komplikation HUS besonders schwer erkrankt sind. Die Zahl der Todesopfer stieg demnach auf 21.

Am Wochenende führte auch eine Spur in ein Restaurant in Lübeck: Wie die Lübecker Nachrichten berichteten, erkrankten 17 Menschen aus mehreren Besuchergruppen nach dem Besuch des Lokals. Unter den Betroffenen ist auch eine Gruppe der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, wie der Bundesvorsitzende Dieter Ondracek der Reuters bestätigte. Demnach infizierten sich acht Mitglieder einer Gruppe, die am 13. Mai das Restaurant besuchte. Eine 48-Jährige aus Nordrhein-Westfalen sei gestorben.

Der Mikrobiologe Werner Solbach sagte, das Restaurant treffe keine Schuld. "Allerdings kann die Lieferantenkette möglicherweise den entscheidenden Hinweis geben, wie der Erreger in Umlauf gekommen ist." Der Besitzer des betroffenen Restaurants, sagte, in seinem Restaurant seien keine Erreger festgestellt worden. "Unsere Leute essen ja dasselbe. Und keiner von unseren Mitarbeitern ist krank."

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