Fruchtbare Pioniere:Kinder der Neugier

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Eine kanadische Studie zeigt, dass die jeweils ersten Siedler in einer Frontregion deutlich fruchtbarer sind als die eher sesshaften Menschen im Kernland. Für ihre Untersuchung nutzten die Wissenschaftler die Stammbäume der Menschen im kanadischen Quebec seit 1668.

Christian Weber

Es waren wahrscheinlich die Neugierigen und Mutigen unter den modernen Menschen, die sich vor 50.000 Jahren in Afrika aufmachten, um die Welt zu erobern - und diese Charakterzüge könnten ihnen auch Fortpflanzungserfolge gebracht haben.

Eltern, Kinder, Kindeskinder: Achille Bhérer und Hortense Gaudreault 1876 in Charlevoix mit sieben ihrer 14 Kinder. (Kleines Bild) und die Familie ihres Sohnes Edgar Bhérer und seiner Frau Délina Boivin am 50. Hochzeitstag des Paares 1960  in St-Félicien, Lac-Saint-Jean. (Foto: Bhérer Family)

So zumindest lässt sich mit Hilfe einer Studie spekulieren, die ein Forscherteam um Claudia Moreau, Damian Labuda und Laurent Excoffier von der Université de Montréal in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science (online) vorgestellt hat.

Ihrer These zufolge sind die jeweils ersten Siedler in einer Frontregion deutlich fruchtbarer als die eher sesshaften Menschen im Kernland.

Dank akkurat geführter Kirchenregister konnten die Wissenschaftler auf die Stammbäume sämtlicher Bewohner zurückgreifen, die zwischen 1668 und 1960 neue Gebiete im kanadischen Quebec besiedelten, Daten von mehr als einer Million Menschen.

Dabei ergab sich, dass die Frauen der jeweils ersten Siedlergeneration - der sogenannten Wellenfront - im Durchschnitt 15 Prozent mehr Kinder hatten als diejenigen Frauen, die später nachzogen oder im Kernland verblieben. Diese Pionierkinder wiederum heirateten häufiger.

Einen solchen Effekt hatten Biologen bislang nur bei Tieren beobachtet, bei denen die Generationenfolge sehr viel kürzer ist. Die Gründe für die erhöhte Fruchtbarkeit dürften allerdings bei den Menschen die gleichen sein, vermuten die Wissenschaftler: In den neu erschlossenen Regionen standen den Menschen schlicht mehr Ressourcen und Land zur Verfügung, was die Familiengründung erleichterte. Tatsächlich bestätigen die Kirchenbücher, dass Pionierfrauen im Durchschnitt ein Jahr früher heirateten.

Die spannende Frage ist nun, welche Folgen es hatte, dass die Pioniere mehr Gene im Pool hinterließen. Wenn man - so wie die meisten Persönlichkeitspsychologen - davon ausgeht, dass Charakterzüge wie Offenheit für neue Erfahrungen zu einem wesentlichen Teil genetisch bestimmt sind, könnte es sein, dass sich diese Eigenschaften in den Pionierregionen über die Jahrtausende weiter verstärkt und die Ausbreitung der Menschen befördert haben.

© SZ vom 04.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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