Forschung:Mehr Geld für Spinner

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Ohne verrückte Wissenschaftler keine Zeitmaschine (Foto: dpa)

Querköpfe der Wissenschaft müssen stärker für ungewöhnliche Ideen belohnt werden.

Kommentar von Astrid Viciano

Von nun an soll in der Forschung alles anders werden. Bislang setzten Akademien, Ministerien, Stiftungen vor allem auf pompöse Forschungsprojekte: War die Stammzellforschung en vogue, konnten sich die dafür Zuständigen über stattliche Preisgelder freuen. Galt es, Wasser auf dem Mars zu finden, durften sich eben diese Wissenschaftler an Geldprämien laben.

Doch ab sofort will man sich nicht mehr mit der Bewässerung des Mainstreams begnügen, so verkündete das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg in dieser Woche. Fortan soll es in der Forschung auch um das Ungewöhnliche, das Abwegige, die Querulanz gehen. Das Ministerium hat daher den "Preis für mutige Wissenschaft" ins Leben gerufen. Man stellt sich insgeheim vor, dass die wohlmeinenden Technokraten des Ministeriums seither in ihren Räumen heimlich Purzelbaum üben, um für die eigene Revolution zu proben.

Könnten die abwegigen "Ig-Nobelpreise" Vorbild werden?

Woraus sich zwangsläufig die Frage ergibt, wo die brillanten Querköpfe denn nun plötzlich herkommen sollen. Wie wir Out of the box denken können, beschrieb einmal das Magazin Harvard Business Manager auf ernüchternde Weise: Dieses Denken ist nicht fremdartiger als man denkt, sondern fremdartiger als man denken kann! Was nun?

Ein Blick in das Allerheiligste des Abwegigen führt da womöglich weiter. Jedes Jahr werden die sogenannten Ig-Nobelpreise an der Harvard Universität verliehen. Die Zeitschrift Annals of Improbable Research zeichnet damit Forschungsarbeiten aus, die Menschen erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen sollen. So entdeckte ein Preisträger vor Jahren, dass Anhänger von Countrymusik ein erhöhtes Selbstmordrisiko haben.

Ein anderer zeigte, dass manche Heringsarten durch Furze miteinander kommunizieren. Der Preis hatte die Wissenschaftler dazu angeregt, was Forschung eigentlich ausmachen soll: Die Welt neugierig und hemmungslos zu explorieren.

Vermutlich ist es genau diese Haltung, die wir brauchen. Eine neue Denkweise in der Wissenschaft, die ungewöhnliche Ideen willkommen heißt. Die es nicht sofort bestraft, wenn jemand ausgetretene Karrierepfade verlässt. Die Forscherinnen gestattet, mit einem abwegigen Projekt auch einmal grandios zu scheitern - und daraus womöglich wichtige Erkenntnisse zu ziehen. Ein solcher Preis für mutige Wissenschaft kann helfen, den Weg für eine neue Haltung zu ebnen. Damit es niemandem mehr ergeht wie einst dem israelischen Physiker Daniel Shechtman. Der wurde von seinen Kollegen aus dem Labor geworfen, weil er mit seinen abstrusen Theorien angeblich eine Schande für die Arbeitsgruppe darstellte. Im Jahr 2011 erhielt er für seine Entdeckungen den Nobelpreis für Chemie.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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