Fleischindustrie:Biologisches Ausgangsmaterial

Vor der Besamung wird die Duldungsbereitschaft der Sauen kontrolliert. Dabei befindet sich "eine Person hinter der Sau und drückt auf den Rücken, sie steht da wie ein Sägebügel und dreht die Ohren nach hinten": Sie ist duldungsbereit, erwartet also den Aufsprung des Ebers. Natürlicherweise würde der bei der Werbung grunzen, Schaum und olfaktorische Signalstoffe produzieren, die Sau anstupsen und umkreisen; die Paarung selber dauert bei Schweinen verhältnismäßig lang, nämlich zehn bis fünfzehn Minuten.

Im Vergleich dazu ist das Vorgehen in der industriellen Ferkelerzeugung recht prosaisch. Um die Sau zu stimulieren, treibt man gelegentlich in Sichtweite einen Eber durch den Gang, arbeitet auch mit künstlichem Eberduft. Umkreisen, Stupsen und Grunzen müssen entfallen; was die darauf folgende Besamung durch Menschenhand für die dastehenden Sauen bedeutet, weiß man nicht. Folgen sie wirklich einem blinden Instinkt und glauben, dass ein Eber aufspringt? Oder können sie sich schlicht nicht wehren?

Tierärzte wissen zu berichten, dass es nahezu unmöglich ist, ein (bewegungsfähiges) Schwein zu untersuchen; es springt, beißt, schreit und flüchtet. Eine rektale Temperaturmessung zum Beispiel ist undenkbar. Für die Besamung allerdings wird ein Plastikschläuchlein, an dem der Spermabeutel hängt, eingeführt. Dabei steht die Sau in einem engen Kastenstand, in dem außer dem Niederlegen keine Bewegung möglich ist; im Englischen wird das bisweilen "rape rack", Vergewaltigungsgestell, genannt.

Standardmäßiger Einsatz von Hormonen

Doch die industrielle Erzeugung von Ferkeln macht es eben erforderlich, dass das biologische Ausgangsmaterial, sein Wille und Eigenrhythmus möglichst gebändigt werden. "Eine straff organisierte Produktion nach Zyklogramm verlangt sehr kurze Zeitspannen für die Besamung aller Sauen einer Gruppe.", schreibt Martin Wähner in dem Handbuch Schweinezucht und Ferkelerzeugung (Eugen Ulmer Verlag 2012). Und auch später, am Ende der Austragezeit, wird hormonelle Steuerung eingesetzt, damit alle Sauen relativ gleichzeitig und idealerweise vor Anbruch des Wochenendes "abgeferkelt" haben. Dazu werden zur Auslösung der Wehen Prostaglandin und bisweilen zusätzlich Oxytocin gespritzt. "Die Geburtensynchronisation sieht vor, dass partiell bei den Sauen mit Tragezeiten von mehr als 115 Tagen die Geburten induziert werden. Das betrifft etwa 60 Prozent.", heißt es in dem erwähnten Handbuch zur Ferkelerzeugung. Der Hormoneinsatz in der industriellen Schweineproduktion ist also nicht Ausnahme, sondern Standard.

Wie sieht es im Bereich des Geflügels aus, zum Beispiel bei den Puten? Knapp 40 Millionen Puten werden in Deutschland jedes Jahr geschlachtet, sie enden kopfüber hängend an einem Fließband. Was aber steht an ihrem Lebensanfang? Auch hier werden die Muttertiere künstlich besamt, und dazu muss zunächst der Samen gewonnen werden. In einem Dokument für Putenvermehrer heißt es: "Je nach Methode werden bei der Absamung zwei oder drei Personen benötigt. Zwei Techniker sind ausreichend, wenn ein Absamgestell zur Fixierung der Puter benutzt wird. Dieses ist vergleichbar mit einem auf Ständern stehenden Blechtrichter, in den der Puter mit dem Kopf zuerst geschoben wird, so dass nur noch die hintere Körperhälfte herausragt." Dann erfolgen "die Manipulationen zur sexuellen Stimulierung".

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