Evolution:Mensch und Neandertaler paarten sich vor 100 000 Jahren

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Neandertaler und moderne Menschen haben schon früher Nachwuchs gezeugt als bisher angenommen. (Foto: Federico Gambarini/dpa)
  • Moderne Menschen und Neandertaler zeugten weitaus früher Nachwuchs miteinander als bislang angenommen.
  • Darauf deuten Funde im Altai-Gebirge in Sibirien hin.
  • Die Forscher schließen daraus, dass es während der Menschheitsgeschichte mehrere Auswanderungswellen aus Afrika gegeben haben muss.

Von Hubert Filser

Moderne Menschen haben sich offenbar schon vor 100 000 Jahren mit Neandertalern vermischt. Das sind mehrere Zehntausend Jahre früher, als bisher angenommen wurde. Dabei hinterließen sie im Erbgut der Neandertaler ihre Spuren, wie DNA-Analysen von Knochen aus einer Höhle im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien zeigen. Es ist der erste Nachweis von Homo-sapiens-DNA in einem Neandertaler ( Nature, online).

Paläogenetiker um Sergi Castellano vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig suchten im Erbgut des Altai-Neandertalers gezielt nach Abschnitten, die denen moderner Menschen ähneln - und wurden fündig. Neandertalerknochen aus zwei Höhlen in Spanien und in Kroatien enthielten dagegen keine Erbgutabschnitte vom modernen Menschen. Das lässt vermuten, dass die frühesten Homo-sapiens-Einwanderer nicht so weit vorgedrungen sind. Zumindest gab es dort vor 100 000 Jahren keine Vermischung.

Nicht alle Auswanderungswellen waren erfolgreich

Mit Hilfe verschiedener Erbgut-Analysen können die Paläogenetiker immer bessere Rückschlüsse auf die frühe Besiedlung Europas und Asiens ziehen und so ein genaueres Bild der Menschheitsgeschichte zeichnen. Ihre Gen-Daten zeigen, dass sich die Linien Mensch und Neandertaler zunächst vor gut 600 000 Jahren getrennt haben. Das ist deutlich früher, als Fossilienfunde bislang nahelegten. Nimmt man diese als Grundlage, kommt man auf einen Trennungszeitpunkt von vor etwa 430 000 Jahren. Jedenfalls entwickelten Mensch und Neandertaler mehr als 300 000 Jahre lang räumlich getrennt voneinander in Afrika und Europa beziehungsweise in Asien ihre spezifischen Eigenheiten, ehe sie wieder zueinanderfanden.

Die Erbgut-Analysen der Max-Planck-Forscher lassen zudem vermuten, dass es mehrere Auswanderungswellen des frühen Homo sapiens aus Afrika gegeben haben muss - allerdings mit großem zeitlichen Abstand voneinander. Nicht alle waren erfolgreich. Von der frühesten Auswanderer-Population vor mehr als 100 000 Jahren finden sich heute jedenfalls keinerlei direkte Spuren mehr. Diese Menschen sind offenbar bald ausgestorben. Sie gehören nicht zu den Vorfahren heute lebender Europäer oder Asiaten.

Folgenreicher war die Auswanderung vor etwa 65 000 Jahren, aufgrund der es dann vor gut 50 000 Jahren wieder zu einer Vermischung von modernem Mensch und Neandertaler kam. Seit dieser Zeit tragen wir etwa zwei Prozent Neandertaler-Erbgut in uns: mit Auswirkungen auf unser Immunsystem und auf bestimmte Erkrankungen.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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